Das Dornenhaus
vagen Geste. Er wollte nicht unhöflich sein, aber seiner Haltung war zu entnehmen, dass er der Ansicht war, diese Gäste hätten immer noch einiges zu lernen. Geduld und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen gehörte zum Beispiel dazu. »Es wird zu gegebener Zeit geschehen, Sahib. Vielleicht wird Guru Tanesh Sie empfangen … vielleicht auch nicht …«
»Das wäre ja unerhört, nachdem wir diesen weiten Weg auf uns genommen haben«, knurrte Robert.
Catherine legte ihm besänftigend die Hand auf den Arm. »Reg dich nicht auf, Liebster. Jetzt sag mir, Singh, müssen wir eine Verabredung mit dem Guru treffen, oder gehen wir einfach so hin?«
Der Kutscher wiegte sich unentschlossen hin und her und breitete unsicher die Hände aus.
Catherine ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Verstehe. Singh, wir werden morgen früh um acht den Guru aufsuchen. Sorg bitte dafür, dass ein Wagen bereit ist. Vielen Dank.«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt, griff nach Roberts Arm und verließ das Zimmer, während der Kutscher noch die Hände rang. »Aber Memsahib …«
»Meinst du, das klappt?«, flüsterte Robert ihr zu und grinste seine hübsche Frau an.
»Das werden wir spätestens morgen früh um acht wissen. Lass uns in den Garten gehen.«
Der Landauer stand am nächsten Morgen zur vereinbarten Zeit bereit, und sie fuhren in der frischen Morgenluft auf die Berge zu. Mühsam wanden sie sich eine steile Bergstraße hinauf, bis ein Weiterkommen unmöglich wurde. Singh fuhr an den Wegrand, wo eine kleine Tonga auf sie wartete, die von einem grauen Pferd gezogen und von einem Jungen kutschiert wurde.
»Ram wird Sie von hier aus weiterbringen. Der Pfad ist holprig, aber es ist nicht mehr weit. Und der Wagen ist bequem. Ich werde hier mit der Kutsche warten, Sahib.«
Robert zögerte. Catherine zog ihn an der Hand. »Komm, Robert, bitte hilf mir hinauf.«
Sie nahmen auf dem gepolsterten Sitz Platz. Der Junge schwang sich vor ihnen hinauf und nahm die Zügel in die Hand. Er war mit einem weißen
lungi
aus Tuch bekleidet, der wie ein Sarong um den unteren Teil seines Körpers geschlungen war. Seine Beine und Füße waren nackt, und um die Schultern hatte er sich einen grob gewebten Wollschal gelegt. Er warf ihnen über die Schulter ein scheues Lächeln zu, bevor er das Pferd antrieb.
Nach kurzer Zeit bogen sie von der Straße ab und folgten einem Pfad unter hohen Zypressen. Zu ihrer Überraschung hielten sie bald darauf bei einer einfachen Lehmhütte an, vor der sich Rauch über einem Feuer kräuselte.
Ein alter Mann mit grauem Haar, das bis auf die Schultern herabhing, stand, umhüllt von einem braunen Wollgewand, vor dem Feuer, wo ein
chapati
auf einem erhitzten Stein backte. Seine Hände waren vor der Brust unter den Falten seines togaartigen Gewandes verschränkt.
»Ist das Guru Tanesh?«, fragte Catherine leise. Der Junge zuckte die Schultern und bedeutete ihnen abzusteigen.
»Du wartest hier«, befahl Robert streng.
»Ich glaube nicht, dass er Englisch spricht, Liebster.«
Robert machte dem Jungen mit einer Geste klar, dass er hier bei dem Pferd bleiben sollte, und folgte Catherine.
Der Mann bei dem Feuer blickte auf, als sie sich näherten, bewegte sich aber nicht und sah auch nicht überrascht aus.
Catherine hob die Hände. »Namaste.«
Eine dünne braune Hand tauchte aus dem Gewand des Gurus auf, berührte sein Herz und seine Stirn. »Möge der Segen und der Frieden Gottes mit Ihnen sein.«
»Ich bin Robert MacIntyre, und das ist meine Frau Catherine«, sagte Robert. »Ich nehme an, dass Sie von unserem Kommen wussten.«
Der Mann sah mit sanftem Lächeln von ihm zu Catherine. Er hatte ein friedvolles Gesicht und war trotz der grauen Haare nicht alt. »Nein, ich habe Sie nicht erwartet. Aber Sie sind gekommen, und um die Reise zu mir zu machen, müssen Sie gesandt worden sein. Also … seien Sie willkommen.« Er lächelte, hob den flachen Fladen vom Feuer und legte ihn auf einen Blechteller neben ein Häufchen gekochten Reis. »Kommen Sie, teilen Sie mein einfaches Mahl mit mir.«
Robert wollte protestieren, aber Catherine stieß ihn an. Sie folgten dem Guru in die Hütte, die nur aus einem Raum bestand. Die Fenster waren nur Löcher in den Wänden, geschützt durch Fensterläden aus Holz. Ein schmales, aus Seilen geflochtenes Bett mit Holzrahmen stand an der Wand. Ein kleiner Altar, geschmückt mit Obst und Blumen, war in einer schattigen Ecke untergebracht.
Der Guru setzte sich mit gekreuzten
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