Das Dornenhaus
sprechen.«
»Nun ja, es ist nichts Dramatisches. Wie dir bekannt sein dürfte, bin ich einundzwanzig geworden, und laut den gesetzlichen Bestimmungen bin ich jetzt in der Lage, über die Zukunft von Zanana zu entscheiden. Ich wollte gerne die Einzelheiten meines Erbes klarstellen.«
»Hock Lee hat dich nicht darüber aufgeklärt?«
»Nur ganz allgemein. Er ist auf Reisen, sonst hätte ich ihn gebeten, mich heute hierher zu begleiten.« Kate wünschte, sie hätte auf den weisen Hock Lee gewartet und wäre nicht allein vorgeprescht. Einerseits wollte sie nicht den Eindruck erwecken, als könne sie es nicht erwarten, Hand an ihr Erbe zu legen, andererseits wollte sie auch nicht, dass sie dachten, sie könne nichts ohne Hock Lee unternehmen. Sie schätzte seinen Rat, aber sie wollte ihre Unabhängigkeit beweisen.
Hector sah leicht verwirrt aus. »Darf ich fragen, was du vorhast? Willst du etwas mit dem Besitz unternehmen?«
»Sie haben doch nicht vor, ihn zu verkaufen?«, fragte Hectors Frau.
»Ich denke keinesfalls daran, etwas zu verkaufen, und ich habe auch nichts Weltbewegendes mit dem Besitz vor. Zumindest keine weit reichenden Veränderungen. Ich möchte nur über die finanziellen Aspekte Bescheid wissen. Das Kapital und so weiter. Wie viel Geld zur Verfügung steht, welche Klauseln mein Vater festgelegt hat und ob er möglicherweise konkrete Pläne gehabt hat.«
»Ich habe die Unterlagen hier.« Hectors Frau gab ihm die Mappe, und er lächelte ihr zu.
»Tüchtig wie immer, meine Liebe.«
Hector schob die Mappe über den Tisch, und seine Frau erhob sich und streckte Kate die Hand hin.
»Auf Wiedersehen, Miss MacIntyre. Ich lasse Ihnen Tee bringen.«
»Vielen Dank, Mrs. Dashford.«
Die Tür schloss sich hinter Hectors patenter und geschäftstüchtiger Frau.
»Ich muss sagen, du hast mich wirklich überrascht, Hector. Ich freue mich sehr für dich, wie deine Eltern sicherlich auch. Bist du glücklich, Hector?«
»Ich habe es gut getroffen und bin zufrieden, ja.«
Kate beobachtete ihn genau. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er seine Braut in ein vom Mondlicht beschienenes Bambusgebüsch gezerrt und sie umarmt hatte, wie er es am Abend der Sommersymphonie mit ihr getan hatte, als er ihr seinen Heiratsantrag machte. Irgendwie ging sie davon aus, dass der Antrag an seine jetzige Ehefrau, wenn dieser auch angenommen wurde, eher formell und geschäftsmäßig vorgebracht worden war. Wie Kate vorausgesehen hatte, passten sie ausgezeichnet zusammen. Seine Frau schien ein wenig älter zu sein als Hector, aber sie würde ihn zweifellos ermutigen, nach Höherem und nach Erfolg zu streben. Kate konnte sich nicht vorstellen, dass sie Spaß zusammen hatten, und sie sah Mrs. Dashford auch nicht inmitten einer Kinderschar. Sie war durch und durch eine Karrierefrau.
Kate schob den Gedanken an das Privatleben der Dashfords beiseite und konzentrierte sich auf die Papiere in der Mappe auf ihrem Schoß.
Beim oberflächlichen Lesen fiel ihr nichts Besonderes auf. Sie war nicht vertraut mit der oft recht bürokratischen Sprache, und die Dokumente waren natürlich sehr unpersönlich gehalten. Irgendwo musste es noch mehr persönliche Dokumente geben, und sie beschloss, die Angelegenheit mit Hock Lee genauer zu besprechen. Er hatte ihrem Vater am nächsten gestanden, und er würde mehr über das Treuhandvermögen und die finanzielle Abwicklung wissen.
Sie gab Hector die Unterlagen zurück. »Vielen Dank. Anscheinend muss ich auf nähere Einzelheiten von den Buchhaltern warten, bevor ich Entscheidungen treffe. Guten Morgen. Richte deinen Eltern bitte herzliche Grüße von mir aus.«
Hector kam eilig hinter seinem Schreibtisch hervor, um Kate die Tür aufzuhalten, und sah der schlanken Gestalt in dem taillierten Seidenkleid nach. Er bemerkte, dass sie ihr langes blondes Haar nicht abgeschnitten hatte, sondern es unter ihrem Glockenhut zu einem Knoten geschlungen trug. Von der Bubikopffrisur, die sich seine Frischangetraute zugelegt hatte, war er nicht sonderlich beeindruckt gewesen, hatte aber nicht widersprochen, als sie ihm erklärte, das sei jetzt die neueste Mode. Er hatte klein beigegeben, wie er es immer tat, um nicht als altmodisch zu gelten.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Wally, als er den Wagen durch den Vorstadtverkehr steuerte.
»Ich habe nicht so viel erreicht, wie ich gehofft hatte. Ich muss noch auf Unterlagen von den Buchhaltern warten. Bis ich nicht über die finanzielle Lage des Besitzes Bescheid
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