Das Dornenhaus
machen.
»Beeil dich, wir essen gleich«, rief Mrs. Butterworth ihr nach.
Kate war plötzlich müde und sehnte sich nach einem heißen Bad in ihrer großen weißen Badewanne, mit einem kräftigen Schuss Lavendelöl. Genau das würde sie gleich nach dem Essen tun. Sie zog sich das Kleid über den Kopf und schlüpfte aus ihren Seidenstrümpfen. So, Ben Johnson hatte es also zu etwas gebracht? Zu schade, dass er so weit weg war, in Melbourne, und ihr nur gelegentlich in Eile geschriebene Briefchen schickte, in denen er von seinen Aktivitäten berichtete.
Kate glättete ihr Haar und zog einen Faltenrock und eine lockere Matrosenbluse über. Tja, sie hatte ebenfalls Pläne. Sie mochte zwar keine Karrierefrau sein wie Mrs. Dashford junior, aber auch sie hatte ein Projekt – Zanana. Zwar hatte sie ihre eigenen Ideen für die Zukunft Zananas und somit auch für die ihre, aber innerlich wusste sie doch, dass sie damit einen Wunsch ihrer Mutter erfüllte. Die Liebe, die ihre Mutter Kindern entgegengebracht hatte, Zananas erprobte Rolle als Zufluchtsort und ihres Vaters vorsichtige schottische Art halfen ihr, den einzuschlagenden Weg klar zu sehen.
Während des Essens wurde viel über die Reise der Johnsons gesprochen, über Kates Vorhaben, Auto fahren zu lernen, über die Abreise zweier wiederhergestellter Veteranen, die sich auf dem ihnen von der Regierung zur Verfügung gestellten Land bei Wagga Wagga als Farmer niederlassen wollten, sowie über die schwierigen Wetterbedingungen und die Wirtschaftskrise, die in letzter Zeit Schlagzeilen in den Zeitungen machten.
»Ein großer Teil des Landes leidet unter einer Dürreperiode, und man nimmt an, dass sie noch eine Weile anhalten wird«, sagte Wally. »Ich weiß nicht, ob ich auf einem Stück Land, das ich überhaupt nicht kenne, wieder ganz von vorne anfangen wollte.«
»Auf den Märkten läuft es dieser Tage auch nicht mehr so gut«, fügte Sid hinzu. »Keine Ahnung, wohin das noch führen wird, die Preise für viele Produkte sind in den Keller gerutscht. Vielleicht müssen wir noch mehr Viehkoppeln für Gemüseanbau hergeben, aber dann brauchen wir auch mehr Hilfskräfte. Das wird allmählich ein echtes Problem.« Sid kratzte sich am Kopf, offensichtlich verwirrt angesichts der Kompliziertheit des Ganzen.
»Was seid ihr heute Abend für alte Miesmacher«, rief Kate. »Man sollte nicht denken, dass es irgendwo Probleme oder Schwierigkeiten gibt, wenn man das Gewimmel in den Straßen von Sydney sieht. Heute war der Verkehr absolut furchtbar. All die großen Busse, die jetzt fahren, ganz zu schweigen von den Straßenbahnschienen, die überall verlegt werden. Was mich wieder aufs Autofahren bringt, Wally. Da ist einiges, was ich wissen muss.« Worauf es eine Viertelstunde lang unter viel Gelächter recht turbulent wurde, als Tisch, Teller, Messer, Gabeln und Stühle für eine Fahrstunde benutzt wurden, an der alle teilnahmen und nach der Kate verwirrter war als zuvor.
Später, als Nettie und Sid das Geschirr spülten, erzählte Wally Gladys von Kates Plan, aus Zanana einen Zufluchtsort für Kinder zu machen, sobald die letzten Veteranen fort wären – was nicht mehr lange dauern würde.
»Da kommt man schon ein bisschen ins Grübeln über die Zukunft, Gladys. Ich meine, hier löst sich langsam alles auf. Und diese Sache mit den Kindern … tja, ich weiß nicht, ob da je was draus wird, und außerdem sollte Kate heiraten und eine Familie gründen.«
»Meine Güte, was dir aber heute Abend nicht alles durch den Kopf geht, Wally«, rief Gladys in spaßigem Ton. Dann fügte sie ernster hinzu: »Was würdest du denn machen wollen, Wally? Ich habe mich daran gewöhnt, dich hier zu haben … wie einen festen Bestandteil des Hauses sozusagen, fast wie ein Möbelstück.« Ihr gefiel die Vorstellung von Zanana ohne Wally und die Johnsons nicht, während Kate ihr eigenes Leben lebte.
Gladys spürte einen Stich von Traurigkeit, als sie an Kates neu gefundene Unabhängigkeit dachte. Das Mädchen war so lange wie eine Tochter für sie gewesen, dass es ihr leicht gefallen war, die ganzen Jahre lang die Tatsache zu übersehen, dass sie in einem zweifellos sehr eigentümlichen Verhältnis zueinander standen. Eigentümlich vielleicht, dachte sie, aber Kate war glücklich gewesen und hatte sich zu einer prächtigen jungen Dame entwickelt. Nun ja, sinnierte Gladys, sie wäre sicher eine ganz andere junge Frau geworden, wenn sie unter der Obhut ihrer Mutter und ihres Vaters
Weitere Kostenlose Bücher