Das Dornenhaus
Flügel aus. Die Vorstellung erregte sie.
Sie hatte ihre Tasche gepackt, als Zac später zum Haus zurückkehrte.
Sein Blick fiel auf die Reisetasche neben der Tür. »So. Die Zeit ist also gekommen, kleiner Vogel.«
»Ja, Zac. Ich muss fort. Ich werde ein bisschen reisen. Ins Ausland gehen, habe ich beschlossen.«
Zac nickte. »Eine gute Idee.«
Er brachte sie zum Zug, umarmte sie rasch und flüsterte ihr zu: »Flieg hoch und sicher. Du weißt, dass ich immer ein Teil deines Lebens sein werde.«
»Ja, Zac. Aber nicht so, wie ich es mir wünsche. Ich brauche ein wenig Zeit, um mich … neu zu orientieren.«
Auf der Zugfahrt nach Süden schrieb Odette die Namen von Städten und Ländern auf ein Stück Papier, dabei wurde ihr klar, dass ihr die ganze Welt offen stand. Zu schwierig, entschied sie, also schloss sie die Augen und tippte mit dem Finger auf die Liste. Als sie die Augen öffnete, sah sie, dass ihr Finger auf Italien deutete.
Florenz. Als Ausgangspunkt so gut wie jeder andere. Sie begann Pläne zu machen. Sie würde abreisen, bevor sie Gelegenheit hatte, es sich anders zu überlegen.
Zwei Monate später war Odette von Italien nach Griechenland gereist, und als sie dann Geld brauchte und ihre berufliche Herausforderung vermisste, ging sie nach London. Fleet Street, das Mekka der Journalisten, lockte sie. Sie rief bei der
Gazette
und ihrem Schwesternblatt, dem
Daily Telegraph
an, sagte, sie sei in London, wurde an das dortige Büro verwiesen und erhielt den Auftrag, sobald wie möglich regelmäßige Artikel zu schicken.
Ihre Berichte aus London für die Zeitschrift und die Zeitung wurden in Australien mit großem Interesse verfolgt, und bald hatte sie sich in der Fleet Street einen Namen als Korrespondentin für Lord Northcliffs Zeitungsimperium gemacht.
Die »Swinging Sixties« in London zu erleben war aufregend und machte Spaß, und als sich die siebziger Jahre näherten, spürte sie, dass in der Tat ein neues Zeitalter bevorstand.
Nach fast fünf Jahren traf Odette nicht bewusst die Entscheidung, nach Australien zurückzukehren, aber sie sehnte sich nach blauem Himmel, Sonnenschein, warmer Brandung und kaltem Bier. Sie spürte die ständige Feuchtigkeit in den Knochen, es war ein trübseliger Winter gewesen. Und es kam ihr so vor, als hätte sie alles an Geschichten abgedeckt, was England zu bieten hatte.
Sie rief Tante Harriet an, bei der sie sich von Zeit zu Zeit meldete, denn im Gegensatz zu ihrer vernünftigen Tante, die ihr alle drei Wochen schrieb, fand Odette das Telefonieren bequemer, wenn es auch teuer war.
Sie tauschten ein paar Höflichkeiten aus, sprachen über das Wetter, und plötzlich fragte Tante Harriet, wann sie denn nach Hause zurückkommen würde.
»Ich habe noch keine Pläne gemacht, aber ich habe schon daran gedacht zurückzukommen.«
»Ich wünschte, du würdest bald kommen. Denn ich denke, hier gibt es etwas, worüber du unbedingt schreiben solltest.«
Odette stöhnte innerlich. »Sag mir kurz, worum es geht. Denk dran, dies ist ein Ferngespräch.« Sie hatte nicht viel Vertrauen in das Nachrichtengespür ihrer Tante.
Im Wohnzimmer des kleinen Hauses in Amberville holte Tante Harriet tief Luft und sprach dann, so schnell sie konnte.
»Mrs. Bramble, die Nachbarin deiner Eltern in Kincaid, braucht deine Hilfe. Ein Bauunternehmen will eine Villa namens Zanana abreißen und das Grundstück parzellieren. Sie möchte, dass du darüber schreibst und Zanana rettest.«
In diesem Moment kam Odette zu einem Entschluss.
»Willst du die Einzelheiten hören, Liebes?«
»Im Moment nicht, Tante Harriet.«
Das brauchte sie nicht. Odette wusste, dass sie heimkehren musste. Um Zanana zu retten.
Kapitel achtzehn
Zanana 1922
Z um ersten Mal in ihrem Leben fühlte sich Kate in Zanana einsam. Sie wanderte ziellos durch den Rosengarten, schaute müßig zu, wie ein grüner Frosch von einem Wasserrosenblatt in den Teich sprang, und fuhr mit dem Finger den Schatten des Zeigers auf der Sonnenuhr nach. Sie ging hinauf zu dem Marmorengel, der das Grab ihrer Eltern bewachte, gelangte schließlich zum indischen Haus und saß sinnend im stillen, kühlen Dämmerlicht.
Kate fragte sich, ob sie es hier nach all dem Trubel in den gesellschaftlichen Kreisen von Sydney zu ruhig fand. Oder lag es daran, dass die meisten Kriegsveteranen Zanana verlassen hatten, zum Teil nach Hause zurückgekehrt waren oder sich mit Unterstützung der Regierung als Farmer im Westen niedergelassen hatten?
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