Das Dornenhaus
aufgewachsen wäre. Ja, anders, aber nicht unbedingt besser, schloss sie mit einem Gefühl des Stolzes.
»Nein, nicht unbedingt besser …«, sagte sie unbewusst laut vor sich hin.
Wally schüttelte das Streichholz aus, nachdem die lose aus seiner Zigarette hängenden Tabakfäden in Funken aufgegangen waren. »Was sagst du, Gladys?«
»Ach nichts, Wally, hab nur laut nachgedacht, über dies und das.«
»Ja, ja. Sids und Netties Reise hat auch mich zum Nachdenken gebracht. Ich wollte nicht zurück nach Hause, seit ich meine Frau verloren habe. Mein kleines Haus ist wahrscheinlich längst verfallen, obwohl meine Nachbarn ein Auge drauf haben. Ist nur ein einfaches Häuschen am Rande der Stadt. Mit einem großen Garten, aber nicht wie eine Farm oder so was. Hab’s hin und wieder vermietet, was mir ein bisschen zusätzliches Geld eingebracht hat.«
»Vielleicht solltest du hinfahren und es dir mal ansehen. Es wäre doch dumm, es verkommen zu lassen, Wally. Bring’s in Ordnung und verkauf es. Oder zieh wieder ein. Du könntest doch Arbeit als Metzger finden, oder?«
»Na ja … mag sein. Du hast wohl Recht. Gut, ich werd drüber schlafen.« Er ging hinaus zum Schuppen.
Mrs. Butterworth seufzte. Die Männer waren doch alle gleich. Sie waren nicht so schnell von etwas zu überzeugen und brauchten eine Weile, bis sie sich mit einer neuen Idee anfreunden konnten. Wally würde zwischen seinen Werkzeugen, Gartengeräten, Maschinenteilen, Sattelzeug und Autoersatzteilen herumwerkeln, über alles nachgrübeln und in ein oder zwei Tagen etwas verkünden, als sei es ihm gerade eingefallen.
Auch Kate war nachdenklich in diesen Tagen. Sie ging durch die Krankenzimmer und Schlafsäle und war erfüllt von Ideen und Plänen, wie sie diese nun fast leeren Räume mit dem Lachen von Kindern wieder zum Leben erwecken würde. Dann wanderte sie durch die schönen Empfangsräume, die Bibliothek, den Salon, das kleine Wohnzimmer und saß allein in all der eleganten Pracht. Alles war poliert und abgestaubt, die Kissen aufgeschüttelt, die Teppiche und der Boden fleckenlos, doch wie traurig und leer wirkten diese Räume. Kate sehnte sich danach, in den Schatten und Ecken, zwischen den Bildern, Dekorationen und Möbeln, die von ihrer Mutter, die sie nie gekannt hatte, zusammengestellt worden waren, den Geist ihrer Eltern heraufzubeschwören. Wenn sie sie doch nur für einen kurzen Moment sehen und mit ihnen sprechen könnte, damit sie ihr Rat erteilen, ihr Unterstützung geben und etwas über ihr Leben mitteilen könnten, über die Hoffnungen und Träume, die sie gehabt hatten, das würde ihr Kraft geben, mit ihrem eigenen Leben fortzufahren.
In diesen Momenten war sie von Einsamkeit überwältigt und voller Furcht, für immer allein leben zu müssen. Eine alte Jungfer, die in einer großen Villa voller Erinnerungen an die Vergangenheit hauste, ohne ein eigenes Leben oder eine Zukunft zu haben. Aber sie versuchte, diese düsteren Gedanken zu vertreiben, schüttelte entschlossen den Kopf und ging nach draußen in den Rosengarten, knipste energisch die Köpfe verblühter Rosen ab oder schnitt einen Arm voll blühender Rosen, um Farbe ins Haus zu bringen.
Im Winter mied sie den traurigen Anblick des Rosengartens und hielt sich lieber in der amethystfarbenen Welt des Gewächshauses auf, schnitt Blätter von den Usambaraveilchen ihres Vater ab, um neue Triebe heranzuzüchten, und goss und pflegte die vielen Orchideen.
Hier war sie auch eines Morgens beschäftigt und mühte sich mit einem Büschel Orchideen ab, das sie aus einem Tontopf genommen hatte und teilen wollte, als sie Schritte auf den Marmorfliesen hörte. Kate schaute nicht auf, da sie vermutete, dass es Wally war.
Kate biss sich auf die Lippen, zerrte mit aller Kraft an den Wurzeln und dachte gerade, sie hätte vielleicht eine Axt nehmen sollen, da legten sich zwei Arme um ihre Schultern und zwei schlanke braune Hände teilten geschickt das widerspenstige Wurzelgeflecht der Orchideen.
»Das gibt ein paar hübsche Pflanzen.«
Kate hatte sich nicht bewegt und drehte sich nun zitternd zu Ben um, der über ihrer Schulter lehnte. Seine Arme hielten sie noch immer umschlossen, seine Hände ruhten auf den ihren. Ihre Haare streiften sich, und sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Wange.
»Oh«, flüsterte sie.
Sie sahen sich tief in die Augen, das überwältigende Gefühl seiner Nähe machte jede oberflächliche Begrüßung unmöglich, jede lustige Bemerkung, die sie
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