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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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waren.
    »Ihr habt Glück, dass heute ein ruhiger Tag ist«, hatte Ned gesagt, als sie ihn fragten, ob sie mitfahren könnten. »Gewöhnlich hab ich den Wagen voller Leute, die zu ihren Farmen oder in die Stadt wollen. Gibt keine bessere Straße im ganzen Bezirk, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie es ist, im Busch zu leben. Wird eine echte Erfahrung für euch Stadtleute sein.«
    Am Ende der Straße, angrenzend an die neue Milchfarm eines Kriegskameraden von Ned, war ein Tal mit unberührtem Regenwald. Für Kate und Ben war es ein magischer Ort von unglaublicher Friedlichkeit und Schönheit. Ned ließ sie ein paar Stunden herumwandern, während er mit seinem Kumpel von der Farm schwätzte. »Muss mich hier draußen an keinen Fahrplan halten«, erklärte er.
    Auf dem Rückweg sprach Kate begeistert von dem Wald und dem Tal. »Glauben Sie, dass es noch lange so unberührt bleiben wird?«
    »Mag sein«, sagte Ned, »hängt von ’ner Menge Umstände ab.«
    »Ich hoffe, es bleibt so, damit die Menschen sich in Zukunft genauso daran erfreuen können wie wir heute. Es ist wirklich der friedlichste Ort, an dem ich seit langer Zeit gewesen bin. Wie heißt das Tal?«
    »Keine Ahnung. Glaub nicht, dass es einen Namen hat.« Eine Weile lang konzentrierte sich Ned auf das Fahren entlang der holprigen Straße über den steilen Abhängen des Tals. Dann fiel ihm plötzlich etwas ein. »He, warum geben Sie ihm nicht einen Namen, Lady?«
    »Was für eine hübsche Idee«, meinte Kate. »Wie sollen wir es nennen, Ben?«
    Er dachte kurz nach und sagte dann leise: »Frieden … Friedenstal.«
    »O Ben, das passt genau. Finden Sie nicht auch, Mr. Clarkson?«
    »Frieden hört sich gut für mich an. Hab im Krieg Jahre damit verbracht, an Frieden zu denken. Ja, Frieden klingt sehr gut.«
     
    Ben und Kate kehrten von der Hochzeitsreise zurück und ließen sich im Torhaus von Zanana nieder. Kate verwandelte das alte, aus Stein gebaute Haus in ein reizendes und gemütliches Heim. Der Sandstein war von süß duftendem Jasmin und Klematis überwachsen, auf dem gedrungenen Schornstein war eine Wetterfahne in Form einer Taube angebracht. Das obere Stockwerk hatte Bleiglasfenster, und in den Blumenkästen blühten Geranien. Das Haus wurde von einer großen Eiche beschattet und hatte das solide Aussehen eines englischen Gartencottages.
    Als er sah, wie gut sie untergebracht und wie glücklich sie waren, verkündete Hock Lee, er werde eine längere Reise machen. Da jetzt nur noch er und seine beiden Schwestern lebten, hatte er vor, sie zurück nach China zu bringen, nach Shanghai, der Heimat ihrer Vorfahren. Die Schwestern, die ihr Leben fern ihrer Heimat und ohne Familienbande verbracht hatten, wollten ihre letzten Jahre an ihren Ursprüngen verbringen.
    »Das ist für sie eine Heimkehr, wie es unserem Brauch entspricht«, erklärte er Kate am offenen Feuer in ihrem gemütlichen Wohnzimmer.
    »Aber du wirst doch hierher zurückkehren, Hock Lee? Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dich für immer so weit von uns weg zu wissen.«
    Er lächelte freundlich und betrachtete das einzige Kind seines besten Freundes mit großer Zuneigung. Er hoffte, dass Catherine und Robert in Frieden ruhten und wussten, wie vorteilhaft sich alles entwickelt hatte. »Natürlich komme ich zurück. Das hier ist meine Heimat. Als meine Eltern aus China nach Australien einwanderten, hielten sie an den alten Bräuchen fest, und ich habe das stets respektiert. Doch ich bin in Australien aufgewachsen und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Ich bin ein Mann, der zwischen zwei Kulturen schwankte und nie in der Lage war, unauffällig in die zweite Haut der Nationalität zu schlüpfen, die er erwählt hat. Aber ich muss dankbar sein für alles, was mir beschert wurde.«
    Er schwieg kurz, streckte mit einer zärtlichen Geste die Hand aus und berührte Kates Wange. »Und dazu gehörst du, liebe Kate.«
    Sie drückte seine Hand an ihre Wangen und schloss die Augen, ihre zitternden Lider verbargen die aufsteigenden Tränen. Mit leiser Stimme sagte sie: »Falls ich dir das noch nicht oft genug gesagt habe, Hock Lee, ich liebe dich.«
     
    Kurz nachdem Hock Lee und seine Schwestern nach Shanghai abgereist waren, kehrten die Dashfords von ihrem Europaurlaub zurück. Kate wartete einen Monat, bis sie sich wieder in Sydney eingelebt hatten, und traf dann eine Verabredung mit ihnen und den Buchhaltern.
    Im Konferenzraum herrschte eine recht formelle Atmosphäre. Um den großen

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