Das Dornenhaus
mischten.
Tante Harriet beendete das Gebet und hob den Kopf. »Amen. Na, jetzt fühlen wir uns schon besser, nicht wahr? Mrs. Bramble war so nett, uns Scones zum Nachmittagstee zu machen. Wir müssen über vieles reden. Komm, Odette.«
Odette und Mrs. Bramble sahen sich ausdruckslos an und gingen dann hinter Tante Harriet her, die selbstsicher und erhobenen Hauptes den Bürgersteig entlangschritt, die Handtasche über dem Arm.
Odette war sich bewusst, dass das Leben mit Tante Harriet nicht leicht werden würde. Zum ersten Mal bekam die Mauer, die sie um ihre Gefühle errichtet hatte, einen Riss, und sie sehnte sich nach der Umarmung ihrer sanften und liebevollen Mutter. Eine Träne lief ihr über die Wange.
Mrs. Bramble bemerkte es, sagte aber nichts. »Zumindest dafür sollten wir Gott danken. Endlich weint sie«, dachte sie.
Tante Harriet, zwei Schritte voraus, merkte nichts davon, wofür Mrs. Bramble sehr dankbar war.
Kapitel drei
Zanana 1899
C atherine saß friedlich in ihrem Rosengarten, gab sich ihren Träumereien hin und dachte an die zwei Jahre seit ihrer Ankunft in Australien.
Der erste Anblick dieses neuen Landes hatte ihr Tränen in die Augen getrieben. Im perlmuttfarbenen Frühlicht schienen die nördlichen und südlichen Landspitzen, welche die ruhige Bucht von Sydney umgaben, das Schiff mit einer schützenden Umarmung des Willkommens zu umfangen.
Nach der Hitze und dem grellen Licht Indiens und nach der Routine ihrer Tage auf See in der Eintönigkeit der Weite und der Farben erschienen ihr der strahlend blaue Himmel, das goldene Licht und das üppige Grün der Küste wie ein zum Leben erwachtes träumerisches Bild.
Robert legte ihr den Arm um die Schultern, während sie an der Reling standen. »Kein Bedauern, Liebste? Glaubst du, dass du in deiner neuen Heimat glücklich wirst?«
»Ich bin überall glücklich mit dir, liebster Robert. Aber das hier … das ist wie ein Bild aus dem Märchenbuch.« Robert lächelte zufrieden und drückte ihre Schulter, wie so oft dachte er, wie glücklich sie sich schätzen konnten, einander gefunden zu haben.
Sobald sie angelegt hatten, wurden sie von Hock Lee rasch aus der aufgeregt wimmelnden Menge auf den Schiffsdecks weggeführt. Roberts alter Freund begrüßte Catherine mit Umarmungen und Gelächter und brachte das Paar gleich in das schöne Haus seiner Eltern oberhalb der Mosman Bay. Sie würden ein paar Tage dort bleiben, bevor sie sich auf Roberts Besitz am Fluss nahe der kleinen Stadt Kincaid begaben.
Catherine erkannte bald, wie angesehen und erfolgreich ihr Mann in dieser aufblühenden Stadt war. Jeder gratulierte Robert dazu, eine so anmutige, charmante und schöne Frau gefunden zu haben. Begleitet von einem strahlenden Hock Lee, wurden die frisch Verheirateten von der Creme der Gesellschaft auf prächtigen Empfängen und Dinnerpartys gefeiert. Zwischen diesen Einladungen verbrachten Robert und Hock Lee die Tage damit, die Bücher durchzusehen und Einzelheiten ihrer Geschäftsunternehmen zu besprechen. Hock Lee hatte in Roberts Abwesenheit die Geschäfte gut geführt, und sie machten nun Pläne, ihr Geschäftsimperium zu erweitern und auszudehnen.
Zusätzlich zum Export von gekühltem Fleisch und Milchprodukten nach Europa und England importierten sie Tee, Gewürze und Seide. Sie erwarben eine Fischereiflotte, verkauften frische Meerestiere auf den Märkten der Stadt und exportierten geräucherten und getrockneten Fisch. Robert wollte spezielle Wassertanks in ihre Frachtschiffe einbauen, damit sie die exotischen Fischarten, die es in den Flüssen, Mündungsgebieten und vor der australischen Küste im Übermaß gab, ebenfalls exportieren konnten.
Hock Lee besaß zudem eine Reihe von Booten, die in der Torresstraße kreuzten und von denen aus auf den Inseln geborene Taucher Bêches-de-mer sammelten, die dicken Seegurken, für die es in Hongkong eine große Nachfrage gab. Während er die Nordspitze von Australien besucht hatte, war ihm von den Perlentauchern am Warrior Reef berichtet worden, und er schlug Robert vor, die Möglichkeit zu erwägen, ihrer Flotte einige Perlenlogger hinzuzufügen.
Um sein Argument zu bekräftigen, nahm Hock Lee einen kleinen Stoffbeutel aus seinem Safe und schüttete den Inhalt vorsichtig auf den Schreibtisch.
Makellos geformte Kugeln in fast leuchtendem Cremegelb und Weiß, von kleinen Perlen bis hin zu dicken Murmeln, schimmerten vor dem grünen Hintergrund der Schreibtischauflage.
»Wenn das ein Beispiel
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