Das Dornenhaus
einschlich.
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit … dass Sie die Vormundschaft für die Kinder übernehmen und sie hier großziehen.«
»In Zanana bleiben und die Kinder aufziehen?«
Hock Lee nickte. Mrs. Butterworth brach in Tränen aus und suchte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Harold legte ihr den Arm um die Schultern. »Nun, nun, Liebes. Mach keine Szene.«
»Nein. Ich bin nur so glücklich. Das habe ich doch die ganze Zeit gewollt. Ich liebe das Baby. Genau wie ich seine Mutter geliebt habe.«
»Und Mary ist ein liebes kleines Mädchen. Macht keine Schwierigkeiten«, fügte Harold hinzu.
»Gut, dann ist das beschlossen. Ich werde die Vormundschaftspapiere von Dashford aufsetzen lassen. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, das Baby im Rahmen der Trauerfeier taufen zu lassen. Etwas unorthodox, aber es hätte so etwas wie einen symbolischen Wert. Was meinen Sie?«
»Ganz wie Sie wollen, Hock Lee. Ich bin nur froh, wenn sie endlich getauft wird. Würden Sie die Patenschaft übernehmen … und können wir sie Kate nennen, Katherine, nach ihrer Mutter?«
»Ja, Mrs. B. Kate ist ein hübscher Name, und es wäre mir eine Ehre, ihr Pate zu sein. Sie verstehen doch beide, dass es nur eine Vormundschaft ist? Sie haben kein Anrecht auf ihr Erbe, Sie sind ihre gesetzlichen Vormunde, beauftragt mit ihrer Erziehung und der Sorge um ihr Wohlergehen. Das Gleiche trifft auf Mary zu, wenn auch da die Situation eine vollkommen andere ist.«
»Ja, das verstehen wir. Uns ist nur daran gelegen, dass diese kleinen Mädchen die ihnen zustehende Liebe und Fürsorge bekommen«, sagte Gladys.
Hock Lee lächelte und tätschelte ihre Hand. »Genau aus diesem Grund finde ich die Vereinbarung ja auch so gelungen.«
Vor dem massiven Sandsteinbau der Sankt-Stefans-Kirche auf der Macquarie Street fuhr ein stetiger Strom von Kutschen, Wagen und Droschken vor, aus denen die Elite der Gesellschaft von Sydney ausstieg. Damen und Herren in Trauerkleidung schritten durch den Park auf die Kirche zu, und viele von denen, die für Robert gearbeitet hatten, waren gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Sid und Nettie Johnson kamen zusammen mit ihrem Sohn Ben mit der besten Kutsche aus Zanana. Darin saßen Harold und Gladys Butterworth mit der kleinen Kate und mit Mary.
Hock Lee, gekleidet in einen schwarzen Anzug, eilte herzu, um Mrs. Butterworth mit dem Baby aus der Kutsche zu helfen. Er nahm Roberts kleine Tochter, die in ein Spitzentuch gehüllt war, auf den Arm. »Was ist sie für ein hübsches Ding. Wird sie das auch gut überstehen, Mrs. B.? Es wird eine lange Feier – so viele Menschen wollen Robert ihre Hochachtung erweisen.«
»Sie schafft das schon. Außerdem bringt es Glück, wenn das Baby schreit … das jagt den Teufel davon.«
»So ist es. Und wischen Sie bei der Taufe das Wasser nicht weg, lassen Sie es trocknen«, fügte er hinzu.
»Himmel, ihr zwei werdet die Kleine noch zu einem völlig abergläubischen Wesen erziehen«, lachte Harold.
Hock Lee nahm ihm das nicht übel. »Viele Dinge, die heute als alberner Aberglaube gelten, haben ihren Ursprung in starken und praktischen Überzeugungen.« Er hob die Hände nach oben und sah kurz zum Himmel hinauf. Es war nicht an ihm, einen jahrhundertealten Glauben in Frage zu stellen. Schweigend betraten sie die dämmrige Kirche. Mary, die ein Matrosenkleid trug, schlurfte hinter ihnen her.
Ein Chor sang, und von Politikern, einflussreichen Geschäftsfreunden und Kirchenmännern verschiedener Glaubensrichtungen wurden Reden gehalten und Nachrufe verlesen. Alle zollten dem Leben und der Arbeit von Robert MacIntyre höchste Anerkennung. Nachdem die Gemeinde »Bleibe bei mir« gesungen hatte, setzten sich alle, und es gab eine kurze Pause. Ein leises Summen geflüsterter Unterhaltungen strich wie eine Brise, die in der Hitze eines Sommertags Erleichterung bringt, durch die Kirche und sorgte für einen kaum merkbaren Stimmungsumschwung. Plötzlich ertönte ein triumphaler Orgelakkord, und die Butterworths und Hock Lee wurden nach vorne geführt. Mr. Butterworth hielt sich sehr gerade und sah in seinem steifen weißen Kragen etwas nervös aus. Mrs. Butterworth stand vor ihm und machte sich an der Schleppe von Kates Spitzentaufkleid zu schaffen.
Es war eine schlichte Feier, während der die Butterworths mit der Fürsorge und Erziehung des Kindes betraut wurden. Der Pfarrer tröpfelte Weihwasser auf den Kopf des Kindes, taufte es und verkündete mit Wärme
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