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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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schimmernde Metall und den Lack einer Reihe dunkler Kutschen und Sulkys aufblitzen ließen. Langsam bahnte sich diese Prozession ihren Weg zur Sankt-Stefans-Kirche am oberen Ende der Stadt, wo die Trauerfeier für Robert MacIntyre abgehalten werden sollte.
    Wie es sich für diesen Mann geziemte, hatte Hock Lee eine Trauerfeier für ihn arrangiert, die stilvoll, geschmackvoll und vornehm war. Hunderte von Geschäftsleuten und Politikern nahmen zusammen mit den Gesellschaftsspitzen von Sydney daran teil, aber keine Familienangehörigen. Viele der Trauergäste waren überrascht zu erfahren, dass Robert weder in Australien noch in Schottland Verwandte besaß. Die Letzte seiner Familie, eine unverheiratete Tante, war vor einigen Jahren in Schottland gestorben.
    Während sich die Kirche zu füllen begann, spekulierte man im Flüsterton darüber, was wohl mit Zanana und dem MacIntyre-Vermögen geschehen würde. Es war eine Frage, die Hock Lee als Nachlassverwalter tief beunruhigte. Die Dinge wurden noch dadurch kompliziert, dass es kein Testament gab. Hock Lee und Charles Dashford hatten vergeblich nach einem solchen Dokument gesucht, obwohl der Anwalt sicher war, dass Robert ein Testament gemacht hatte.
    »Ich habe ihn dazu gedrängt, nachdem Catherine gestorben war, und sogar schon vorher, als er Marys Adoption einleitete. Und ich muss sagen, dass er bei mir den Eindruck hinterlassen hat, er habe ein solches Dokument verfasst«, sagte der weltmännische und makellos gekleidete Dashford. »Ich nahm an, es würde sich in seinem Arbeitszimmer in Zanana befinden. Er hat sich einfach geweigert, mit mir darüber zu sprechen – ist dem Thema stets ausgewichen.«
    Hock Lee hatte Marys unvollständige Adoptionspapiere gefunden, aber sonst nichts, was dem auf Ordnung bedachten Robert gar nicht ähnlich sah, aber wenn er daran dachte, wie verzweifelt Robert seit Catherines Tod gewesen war, wunderte es Hock Lee eigentlich nicht. Sein Instinkt warnte ihn davor, Charles Dashford den Brief zu zeigen, den Robert ihm geschrieben und auf seinem Schreibtisch zurückgelassen hatte, bevor er sich das Leben nahm. Der Brief war nur kurz gewesen.
    Hock Lee, mein lieber Freund, vergib mir das, was ich zu tun vorhabe. Das Leben erdrückt mich, und ich kann nicht ohne Catherine an meiner Seite weiterleben. Du bist mir in den vergangenen Jahren ein treuer Freund gewesen, und ich bitte Dich, nicht schlecht von mir zu denken. Ich weiß, dass Du die Geschicke von Zanana mit fester Hand lenken wirst. Verkaufe meine Geschäftsanteile und investiere das Geld für den laufenden Unterhalt des Besitzes. Ohne meine geliebte Frau ist Zanana nicht länger ein Ort der Liebe und Zuflucht. Es ist erfüllt von Erinnerungen, die mich zu sehr schmerzen. Ich möchte neben ihr begraben werden. Lege gelegentlich eine Rose auf unser Grab als Symbol für die allzu kurze Zeit, die uns zusammen in diesem Leben vergönnt war. Nun werden wir bis in alle Ewigkeit eins sein.
    Hock Lee hatte die traurige Aufgabe übernommen, seinen Freund Robert in aller Stille neben seiner geliebten Catherine begraben zu lassen. Sie lagen zusammen auf der obersten Terrasse des Rosengartens, wo ein schlichter Marmorengel über ihren beiden Grabsteinen wachte. Danach hatte Hock Lee stets eine Rose auf das Grab gelegt, wenn er Zanana besuchte. Gab es keine blühenden Rosen, hatte er nur still an den Gräbern gesessen und sich an etwas besonders Glückliches aus ihrer gemeinsamen Zeit erinnert.
    Dann hatte er den Kummer über den Verlust seines besten Freundes beiseite geschoben und mit Hilfe von Charles Dashford, der sich um die rechtlichen Dinge kümmerte, den Nachlass seines Partners geordnet.
    Hock Lee hatte sehr bald die Butterworths zu einem Gespräch über die Zukunft der Kinder zu sich gebeten. »Es gibt folgende Möglichkeiten: Ich nehme sie zu mir, was mich mit Stolz und Freude erfüllen würde. Doch bei meinem Lebensstil und meinen geschäftlichen Verpflichtungen könnte ich ihnen keine stabile oder kindgerechte Umgebung bieten.«
    »Welche Möglichkeiten gibt es dann?«, fragte Harold.
    »Mary könnte auf ein Privatinternat geschickt und Kate von einem Kindermädchen und einer Gouvernante großgezogen werden, bis sie alt genug ist, auch ins Internat zu gehen.«
    »Das ist aber eine sehr kalte Art und Weise, ein Kind aufwachsen zu lassen. Wo bleiben da die Liebe und die Geborgenheit der Familie?« Mrs. Butterworth konnte nicht verhindern, dass sich Entrüstung in ihre Stimme

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