Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
Liebe.«
    »Sie versuchen es.«
    »Wer bin ich schon? Chefredakteur einer kleinen Landzeitung. Eines Provinzblatts, das ein paar Wellchen in einem sehr kleinen Teich macht. Ach, früher hatte ich mal dieselben Ideale wie du, Odette. Ich hab bei einer großen Zeitung in der Stadt gearbeitet. War eines Abends Schlussredakteur. Eine Meldung kam rein, und ich wollte sie ins Blatt heben. Eine große Razzia in einer illegalen Spielhölle. Prostituierte waren darin verwickelt, mehrere Politiker und einflussreiche Geschäftsleute. Am Morgen war die ganze Geschichte auf ein paar Absätze ohne Namensnennung zusammengeschrumpft. Ich hab Stunk gemacht und wurde auf einen niedrigeren Redakteursposten versetzt. Manchmal ist es schwer, der edle Ritter zu sein.«
    »Wie sahen Ihre Träume aus?«
    Der Chefredakteur machte ein verlegenes Gesicht. »Na ja, was soll’s … ich erzähl’s dir. Ich wollte eine große Zeitung leiten, vielleicht sogar ein paar Zeitungen. Mein eigenes Zeitungsimperium aufbauen. Aber dann hab ich mir die Kerle angesehen, die so was gemacht haben. Klar, die führten ein Imperium, bauten eine Dynastie auf. Aber sie waren Geschäftsleute geworden, waren keine Journalisten mehr. Also denke ich, dass ich besser dran bin. Ich bin mein eigener Chef, hab das Sagen und mache alles, wie ich es für richtig halte. Ich bin furchtlos, manchmal tollkühn, aber ich bin frei. Und ich hab Freude an dem, was einen in diesem verrückten Beruf auf Trab hält … die Herausforderung, mit jeder Ausgabe, die gedruckt wird, etwas Neues zu schaffen. Ob ich belehre, informiere, bloßstelle oder unterhalte, niemand kann mir den Geruch und den Lärm der Druckmaschine nehmen und das Gefühl, das man hat, wenn man das erste druckfrische Exemplar in die Hand nimmt, selbst wenn’s nur ein Provinzblatt ist. Ach … hör sich das einer an. Gib mir mal das Bier.«
    Odette verspürte eine seltsame Zuneigung für den alten Journalisten. »Aber Sie kämpfen immer noch, Fitz. Der
Clarion
mag zwar keine Nachrichten von nationaler Bedeutung verbreiten, aber Sie kämpfen für die Menschen und für das, was in unserer kleinen Welt hier von Belang ist. Wenn wir nicht hier in unserem Provinznest für das eintreten, woran wir glauben, welche Hoffnung gibt es dann für das ganze Land?«
    »David und Goliath, was? Manchmal fragt man sich, ob es die Mühe wert ist, Odette. Man fragt sich, ob das Ankratzen der Oberfläche von Themen auf die Dauer Wirkung haben wird. Vom persönlichen Glauben an Integrität und Gerechtigkeit bleibt am Ende nichts als die Druckerschwärze auf dem Einwickelpapier für Gemüseabfälle. Und man kann immer noch unter die Räder geraten, wenn es hart auf hart kommt.«
    »Ein paar Sandkörner im Getriebe können die größte Maschine lahm legen.«
    Fitz lachte. »Du hast Recht. Trink noch ein Bier.« Er erhob sein Glas. »Trinken wir auf die Sandkörner …«
    Die Welt zu sehn im Korn aus Sand,
Das Firmament im Blumenbunde,
Unendlichkeit halt in der Hand
Und Ewigkeit in einer Stunde.
    »Willam Blake?«
    »Zehn Punkte von zehn. Jetzt weiß ich, warum du eine Eins in Englisch hast.«
    »Ein gutes neues Jahr, Fitz!«
    »Und viele gute Jahre für dich, Odette. Prost!«
    Odette wünschte, sie hätte an diesem Abend noch etwas vorgehabt. Sie hatte alle Einladungen zu Partys abgelehnt, weil sie hoffte, Zac würde kommen und vorschlagen, zusammen etwas zu unternehmen, aber in letzter Zeit hatte er abwesend gewirkt, und er hatte ihr gesagt, dass er für ein oder zwei Tage außerhalb der Stadt zu tun hätte. Sie fragte sich, wo er wohl war.
    Tante Harriet hatte nicht vor, sich der neuen Dekade der sechziger Jahre zu stellen, und ging mit einer Tasse Kakao und einem Buch ins Bett. Also wanderte Odette in den letzten Stunden des Jahres durch das kleine Haus, wo in der leeren Küche kalt gewordener Tee und übrig gebliebener Weihnachtskuchen unter einem von Glasperlen beschwerten Tuch aufbewahrt waren. Sie setzte sich an den Küchentisch, das Kinn in die Hände gestützt, die Ellbogen auf der von der Hitze klebrigen Wachstuchdecke, und dachte an Zac. Instinktiv wusste sie, dass der Zeitpunkt gekommen war, an dem er weiterziehen würde. Sie würde ihn vermissen und hoffte, dass er nicht vollständig aus ihrem Leben verschwand. Und was würde aus ihrem Leben in den kommenden Jahren werden? Traurigkeit umfing Odette, sie schloss die Augen und merkte, wie ihre Gedanken verschwammen.
    Sie öffnete die Augen. Sie stand im Garten von Zanana. Die

Weitere Kostenlose Bücher