Das Dornenhaus
weg.
»Wehre dich nicht gegen deine Gefühle, Odette. Das war ein Eindringen in deine Privatsphäre, und du hast jedes Recht, wütend zu sein. Aber dass du ihr die Stirn geboten hast, hat dir die Kontrolle über dein Leben gegeben. Du hast sie herausgefordert, und sie hat klein beigegeben. Du wirst sehen, von jetzt an wird alles anders.«
Zac griff nach ihrer Hand und führte sie ans Flussufer, ließ sie sich setzen und zog ihr die Sandalen aus. »Halt die Füße ins Wasser, das beruhigt. Und ich werde dir etwas vorsingen.«
Er begann zu singen, und Odette ließ sich ins Gras zurücksinken, schloss die Augen und spürte, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich. Er beendete das Lied und saß schweigend da.
Odette öffnete die Augen. »Wie hieß das Lied?«
»›Loslassen‹. Du kannst nicht vorwärts kommen in diesem Leben, wenn du nicht eine Menge von dem Gepäck loslässt, das dir in der Vergangenheit aufgebürdet wurde. Manche Dinge sollte man behalten. Das Überflüssige … wirf es ab, Odette. Reise mit leichtem Gepäck durch diese Welt.«
»Du meinst, ich soll keine Schachteln voll … altem Zeug mitschleppen?«
»Nein, das meine ich durchaus nicht. Aber man braucht nicht immer greifbare Dinge, um die Erinnerung lebendig zu halten. Gefühle und Erinnerungen bleiben auch so vorhanden und sind so leichter zu tragen. Behalt nur die glücklichen und lass die traurigen los. Denk an die besonderen Erinnerungen, die du bewahrt hast … an Menschen und Orte.«
»Hm«, meinte Odette nachdenklich und spürte die warme Sonne auf ihrem Gesicht.
»Erzähl mir davon.«
Odette hatte wieder die Augen geschlossen, und ihre Stimme kam aus weiter Ferne. »Die Zeit mit meinen Eltern. Auch wenn sie als Paar fast eine geschlossene Einheit bildeten. Mir war nie klar, wie ungewöhnlich sie waren. Sie waren völlig aufeinander eingestellt, brauchten keine anderen Menschen. Es fällt mir schwer, an sie als Individuen zu denken. Sie waren immer ein Paar. Ich hoffe, dass ich eines Tages jemanden ebenso lieben kann.«
»Und Orte?«
»Oh, das ist einfach. Zanana und der Rosengarten. Es war ein verzaubertes altes Haus am Fluss, wo ich gerne mit dem Boot hinfuhr und spielte. Da war auch dieses indische Haus … und ein Junge, mit dem ich spielte … schon bei dem Gedanken daran kann ich die Rosen riechen und den Geruch des indischen Hauses … ich hatte es ganz vergessen, bis ich vor einem Jahr ein Stück Seife bekam, das genauso roch – nach Sandelholz. Das war wirklich ein außergewöhnlicher Ort, Zac. Aber so traurig und leer. Was wohl damit passiert ist? Hoffentlich ist es nicht abgerissen worden. Es wäre schrecklich, wenn all das verloren ginge.«
»Es geht bestimmt nicht verloren«, versicherte ihr Zac. »Eines Tages werde ich für dich ein Lied über Zanana und die Rosen schreiben.«
Odette setzte sich auf und umarmte Zac unwillkürlich: »Wenn ich mit dir rede, fühle ich mich immer ganz befreit. Danke dir.«
»Wie wär’s mit einem Bad? Es ist heiß.«
»Ich hab keinen Badeanzug dabei.«
»Ich auch nicht. Schließ deine Augen, züchtige Maid.« Scheu bedeckte Odette das Gesicht mit den Händen. Sie hörte es rascheln, als er seinen Gürtel aufschnallte, und erhaschte durch ihre leicht gespreizten Finger einen Blick auf Zacs Rücken und die nackten braunen Pobacken, kurz bevor er ins Wasser tauchte. Sie sah ihm zu, wie er bis in die Mitte des Flusses schwamm, tauchte und herumspritzte, bis er genug hatte.
»Ich komme raus.«
Gehorsam schloss sie wieder die Augen, während er sich die Hose anzog, doch im nächsten Moment spürte sie seinen kühlen, feuchten Körper auf sich und wurde sanft zu Boden gedrückt. Sie erschauerte unter dem Gefühl seiner nackten, nassen Brust auf ihrer Haut, durch ihre Bluse wurde sie von der Feuchtigkeit abgekühlt, aber sie erschauerte auch vor einer tiefen, noch unbekannten Erregung.
Unbefangen schüttelte er über ihr seine dunklen Locken. Glitzernde Wassertropfen fielen auf ihr Gesicht. »Fühlst du dich jetzt kühler?«, lachte er.
Sie nickte, und er lag still und lächelte sie an. Odette streckte die Arme aus und drückte ihn fest an sich. Sein Gesicht war dem ihren ganz nahe, und er leckte die Wassertropfen von ihren Wangen und ihrer Stirn.
»Süße kleine Odette.«
»Warum sagst du dauernd, ich sei klein?«
»Weil du immer noch ein kleiner Vogel bist und Schutz brauchst. Und ich bin größer, stärker und älter als du.«
»So viel älter auch nicht.«
Ȁonen.
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