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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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um meine geliebten Tiere und die Samstage, die ich in Falmouth verbrachte, wo ich die Boutiquen durchstöberte und alle möglichen Sachen anprobierte, die auf dem Ständer mit den Sonderangeboten hingen. Ich wünschte, ich könnte wieder mit Ellen auf der Hafenmauer sitzen und Pommes frites in Ketchup tunken. Ich wünschte, Jago wäre da und würde Leben ins Haus und uns alle zum Lachen bringen. Ich wünschte, meine Mutter wäre jünger und noch nicht so gebrechlich, sodass ich keine Rücksicht zu nehmen bräuchte und sie alles fragen könnte, was ich wissen musste. Ich wünschte, ich könnte darauf vertrauen, Trost bei ihr zu finden, ohne dass sie gleich Angst haben müsste, ich könnte vielleicht wieder an den dunklen Ort zurückgleiten, von dem sie und mein Vater mich hatten zurückholen müssen.
    »Ich habe viel gearbeitet, das ist alles«, sagte ich betont leichthin.
    »Du solltest es mit der Arbeit nicht übertreiben, Hannah.«
    »Ich weiß.«
    »Erinnere dich daran, was der Doktor über Stress gesagt hat und dass …«
    »Mum, ich weiß. Bitte hör auf damit.«
    Ich goss kochendes Wasser in die Teekanne, stellte das Geschirr auf ein Tablett, dann gingen wir durch den kleinen Wintergarten, den Dad und Jago vor vielen Jahren angebaut hatten, in den hinteren Garten. Nachdem Dad mich überschwänglich begrüßt hatte, holte er zwei nicht zusammenpassende Liegestühle aus dem Schuppen, befreite sie von Spinnweben und stellte sie unter dem Kirschbaum auf. Dann fuhr er mit der Gartenarbeit fort und lauschte der Übertragung eines Kricketspiels im Radio. Meine Mutter und ich setzten uns in die Liegestühle und unterhielten uns eine Weile über dies und das. Allmählich entspannte ich mich. Ich sah den Bienen zu, die um die Heckenkirschenblüten herumsummten. Und plötzlich, obwohl ich es nicht vorgehabt hatte, sagte ich: »Mum, du erinnerst dich doch noch an Ellen Brecht, nicht wahr?«
    In diesem Moment ließ Dad den Schlauch fallen, sodass er um ihn herumwirbelte wie eine Schlange und die Wäsche nass spritzte, die zum Trocknen auf der Leine aufgehängt war. Mum sah zu den Bettlaken, die fast trocken gewesen waren und nun dunkle feuchte Flecken hatten. Sie stieß einen kleinen Seufzer aus, schimpfte Dad jedoch nicht wegen seiner Ungeschicklichkeit aus, wie sie es normalerweise getan hätte.
    »Ja, natürlich erinnere ich mich an Ellen und ihre Eltern. Du weißt doch, dass ich eine Zeit lang in ihrem Haus geputzt habe, als Mrs   Brecht schwer krank war.«
    »Ach ja, natürlich.«
    »Thornfield House ist jetzt ein Pub, wusstest du das?«
    »Nein, als ich letztes Mal hier war, hast du mir erzählt, es stehe kurz vor dem Abriss.«
    »Das war auch geplant – auf dem Grundstück sollte ein Komplex mit Ferienapartments gebaut werden, aber sie haben offenbar keine Genehmigung erhalten.«
    »Es wäre das Beste gewesen, man hätte es abgerissen«, sagte Dad. »Dann wäre man den alten Kasten los gewesen.«
    »Es stand ziemlich lang zum Verkauf«, fuhr meine Mutter fort. »Aber niemand wollte es. Jetzt ist es ein Pub. Sally – du weißt schon, unsere Nachbarin, die zwei Türen weiter wohnt – hat vorige Woche dort zu Mittag gegessen. Sie sagt, es schmeckt ganz gut, wenn man auf diese neuartige Küche steht. Oliven und solche Sachen. Die Feriengäste mögen das ja. Dort, wo früher der schöne Salon war, ist jetzt eine Bar.«
    Ich schloss einen Moment die Augen und rief mir die Details des Raums vor Augen – die beiden großen Aufziehfenster, den Flügel, der stolz das Zimmer beherrschte, und die Chaiselongue, auf der sich Ellens Mutter immer ausruhte. Ich erinnerte mich, wie das Sonnenlicht auf den wunderschönen haselnussbraunen Holzboden schien, an die Gardinen, die sich sanft im Wind bauschten, an die elegante Stuckrosette über dem Kronleuchter, den Duft nach Lavendel und Kerzenwachs, an die nilgrüne Wandfarbe und an die Klänge von Debussys Claire de Lune.
    Und ich erinnerte mich an die Blutflecken, die sich in die Holzdielen hineingefressen hatten und sich beharrlich sämtlichen Versuchen widersetzten, sie restlos zu beseitigen. An den zerbrochenen Spiegel, an die Glasscherben auf dem Fenstersims. Ich rief mir Ellens herzzerreißendes Weinen ins Gedächtnis und schauderte bei dieser Erinnerung. Ich hielt mir die Ohren mit den Händen zu, als könnte ich sie so verscheuchen.
    »Hannah?«
    Ich blinzelte und fand mich in der Wirklichkeit des kleinen Gartens meiner Eltern wieder, wo ich unbehaglich in dem orange und

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