Das Dornröschen-Projekt - Krimi
Polizisten folgten ihm.
»Wollten Sie noch was sagen, Herr Dr. Entenmann?«, rief Matti ihm nach.
Aber der Erpel entschwand mit seiner blauen Eskorte in einem Büro.
Sie gingen zu Fuß nach Hause. Auf dem Flughafengebäude lag das Licht eines milden Vormittags. Krähen flogen und hüpften krächzend. Die Autokolonne auf dem Tempelhofer Damm strömte nach Kreuzberg oder zur Autobahn, eng fuhren die Wagen nebeneinander, die Fahrbahn war nicht markiert. Hilflos standen die Bäume auf dem Mittelstreifen, eingehüllt vom Dieselruß aus den Auspuffen von Bussen und Lastern.
»Jetzt werden die Bullen uns auch belauschen«, sagte Matti.
»Die könnten sich zusammentun, der Erpel und die Bullen. Einsparpotenzial.« Twiggy lachte.
»Wenn das nicht längst so ist«, sagte Dornröschen.
»Bist du jetzt zu den Verschwörungsheinis übergelaufen?«, fragte Matti.
»Wart’s ab.«
»Aber den Erpel haben sie gegriffen«, sagte Twiggy.
»Ihnen blieb ja nichts anderes übrig«, sagte Dornröschen leise. »Das belegt oder widerlegt gar nichts.«
Sie schwiegen.
Das Dröhnen der Autobahn wurde lauter, als sie sich auf der Oberlandstraße der A 100 näherten. Sie liefen schneller, während sie die Überführung unterquerten, und verfielen wieder in den Schlenderschritt, als das Dröhnen leiser wurde. Sie kamen an einer Containerverladestation vorbei, dann an einer Sandwüste, in der ein Baufahrzeug umherfuhr, ohne dass ein Sinn erkennbar gewesen wäre.
»Der nächste Schritt geht wie besprochen«, sagte Dornröschen.
»Klar«, erwiderte Matti. »Ich kann mir gut vorstellen, wie der Erpel jetzt in der Klemme sitzt. Wie kommen seine Fingerabdrücke an den Tatort?«
»Er wird ein Alibi haben«, sagte Twiggy.
»Natürlich, die Frau wird Stein und Bein schwören, sie hätten sich gemeinsam betrunken oder die Folge einer alten Serie gesehen oder beides.« Matti lachte, aber er war nicht fröhlich.
»Hoffentlich hat er nicht mit zwanzig Freunden in der Sauna gesessen«, sagte Twiggy.
»Um die Zeit gibt es keine Sauna, nicht mal in ’nem Puff«, sagte Dornröschen.
»Was du so alles weißt.«
Sie streckte Matti die Zunge heraus.
»Stell dir das mal vor«, sagte der. »Der Erpel weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Die haben seine Fingerabdrücke, und er leugnet, jemals dort gewesen zu sein. Der Staatsanwalt lacht sich doch einen.«
»Und dann wird er behaupten, jemand habe seine Fingerabdrücke übertragen.« Twiggy prustete.
»Das glaubt ihm niemand«, sagte Dornröschen. »Sie müssen Anklage erheben, wenn sie nicht was Böses in der Zeitung lesen wollen. So weit kommt es noch, dass im Rechtsstaat ein Bombenanschlag vertuscht wird. Also, damit fangen wir gar nicht erst an.« Sie klang empört.
»Ich schicke die Mail gleich nachher los«, sagte Dornröschen, »noch sind die Bullen und die Entenmänner nicht sortiert. Es ist ja Schreckliches passiert. Aber sie werden bald was riechen. Und dann werden sie uns auf den Fersen sein.«
»An welche Adresse?«, fragte Twiggy.
»Die Detektei Warnstedt gibt’s doch im Internet, kein Problem.« Dornröschen beschleunigte, sie hatte es jetzt eilig, die Sache hinter sich zu kriegen.
Sie bogen links ab in die Eschersheimer Straße, und als sie auf der Brücke die Gleise überquerten, rumpelte unter ihnen quietschend ein kurzer Güterzug. Auf dem letzten Wagen glänzten Aluminiumfässer.
Offensiv sollte sie schreiben, das hatten sie beschlossen, kurz bevor sie das Haus in der Okerstraße erreicht hatten. Aber als Dornröschen ihren Text noch einmal las, wurde ihr mulmig. Sie hörte Schritte und scrollte ihn hektisch weg.
Sie war ins Cutie Pie in der Lausitzer Straße geradelt und hatte erst mal einen Cappuccino getrunken, durchs große Schaufenster auf die Straße geguckt und im Kopf getextet. Sie mussten ihre Identität preisgeben, sonst kamen sie nicht weiter. Nur der Erpel sollte sie identifizieren können, und der ahnte sowieso längst, wer hinter der Aktion steckte. Sie musste es also so schreiben, dass der Typ es erfuhr, aber die Bullen nichts beweisen konnten. Entenmann würde schon deswegen schweigen, weil er mindestens einen Mord an der Hacke hatte, eher zwei. Und niemand außer Entenmann kannte die Zusammenhänge besser als die Okerstraßen- WG . Sie schaute sich um, während sie überlegte. An der Wand stand ein altes Klavier.
Sie sah jetzt den Erpel in seiner Zelle. Die Vorstellung befriedigte sie, genau zu wissen, was ihm widerfuhr, obwohl sie einige Kilometer
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