Das Drachenboot
einigen Jahren hätte Geirmund keine Sorgen zu haben brauchen, seine Sklaven loszuwerden, aber heute.? Es ist nicht mehr so einfach. Die Kaufleute selber zieren sich, und wo sie früher kurzerhand die Leute hätten verladen lassen, müssen sie nun angeblich lange vorher planen und Käufer suchen, und das Ende vom Lied ist, daß sie gewaltig den Preis drücken. Manchmal muß man sich schon freuen, daß sie einem die Ware überhaupt abnehmen. Vielleicht müssen wir uns in Zukunft einer anderen Ware zuwenden, so sehe ich das.« Die Männer waren still und sahen sich aus den Augenwinkeln an. Folke war es unbehaglich, ohne daß er gewußt hätte, warum.
»Vielleicht wechseln wir nicht die Ware, sondern den Kaufmann. Wer außer Högni kommt denn noch als Kaufmann in Frage?« Aslak war es, der sprach. Von ihm gewann Folke wider Willen den Eindruck, daß er versuchte, den Dingen auf den Grund zu gehen, im Gegensatz zu seinem Freund Hrolf, der zu schnell aufbrauste.
Hrolf schluckte und wischte sich das Aalfett aus den Mundwinkeln. »Kari«, sagte er scharf, und man konnte hören, daß alter Groll aus ihm sprach. »Schon längst hätte Geirmund sich mit Kari verständigen sollen. Er ist der einzige norwegische Fernhändler, der hundert Sklaven verkaufen kann. Im Handumdrehen. Der ist nicht wie Högni der Zaghafte«, höhnte er.
Hjalti schüttelte entschieden den Kopf. »Die Fehde zwischen Geirmunds und Karis Sippe besteht seit Menschengedenken. Ich hörte sagen, daß Kari Spaltzunge, der der Vatersvater von Kari Händler war und auch schon Handel betrieb, Otr auf Geirstad um ein gutes Schwert betrogen hat. Bezahlt hatte Otr das Schwert Siegreich, und bekommen hat er ein Kurzschwert ohne Heil und ohne Namen. Kari ließ es abliefern mit den Worten, nun könne Otr ja siegreich sein.« Die Männer nickten betreten. Was da geschehen war, mußte jede Freundschaft und jeden Handel zwischen einem König auf Geirstad und einem Händler zerschlagen.
»Die Geirstadsippe wird diese Beleidigung niemals vergessen«, rief Alf, obwohl sich das jeder hatte denken können. »Und richtig war es, daß Kari Spaltzunge sofort für den Betrug hat büßen müssen.« Er setzte sich wieder und verschwand hinter Hjaltis Rücken. Trotzdem hatte Folke gesehen, daß eins seiner Augen blau und die Wange dick war. Folke dachte plötzlich an Högni und war froh, daß der schwedische Händler, der schon so lange in Haithabu lebte, die dortigen Sitten angenommen hatte. Eine Fehde bestand zwischen seiner und des Händlers Sippe ebenfalls, aber niemand rührte daran, und allmählich geriet sie in Vergessenheit. Die Norweger jedoch hingen noch an den alten Sitten. »Die verfluchten Christen«, murmelte neben Folke der unscheinbare Ulf, der keinen besseren Platz hatte ergattern können und seinen Ärger deutlich gezeigt hatte, während er seinen Schlafsack ausrollte. »Die sind schuld an allem.« Folke schüttelte den Kopf. »Die kaufen gern Sklaven. Die Franken haben große Handelsmetropolen, die vom Sklavenhandel leben. Die haben bestimmt keine Schuld, daß der Sklavenhandel schwieriger geworden ist.«
»Wer denn sonst?« fragte Ulf, der zwar im Boot dicht bei Folke gesessen hatte, aber zur Backbordwache gehörte und mit Folke unterwegs nichts zu tun gehabt hatte. Er war Folke nur aufgefallen, weil er ein Gefolgsmann von Alf zu sein schien und sich von diesem beschenken ließ. Folke überlegte. Er konnte die Frage nicht in einem Satz beantworten. Der Handel mit einzelnen Sklaven war überhaupt nicht schwieriger geworden. Aber das Geschäft verlagerte sich. Die Kaufleute hatten sich an bestimmte Zulieferer gewöhnt, die für die Güte ihrer Ware bürgen konnten. Handelsrouten und Händlergemeinschaften waren heute fester gefügt als vor einigen Wintern. Die neue Münzwerkstatt von Knuba in Haithabu hatte weitreichende Folgen gehabt, wie jeder sehen konnte, der mit offenen Augen in Haithabu lebte. Die Norweger hatten es nicht gewußt, aber er hätte es ihnen sagen können.
Folke warf seinem Nachbarn einen Blick zu. Ulf war bleich, wie rotblonde Leute es manchmal auch am Ende des Sommers sind, und wartete mit ausdruckslosen, vorstehenden Augen auf Folkes Antwort. Trotzdem schluckte Folke seine Gedanken ungesagt hinunter. Ulf würde sie nicht verstehen. Plötzlich war er sehr stolz auf seine fortschrittliche Stadt. Inzwischen waren die Reden hin- und hergegangen. Folke beugte sich vor und beobachtete Sven, der ihm unversehens ins Blickfeld geraten war. Er
Weitere Kostenlose Bücher