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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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haben allen Grund zur Wut, dachte er und betrachtete sie der Reihe nach. Zum Glück nicht auf ihn. Erst hatten sie einen Mann verloren, dann die Sklaven nicht verkaufen können, dann hatte Sven sich als untauglicher Schiffsgenosse erwiesen, und nun war obendrein der Sklave weg. Die Fahrt stand unter einem unglücklichen Stern. Und obwohl er mit alldem eigentlich nichts zu tun hatte, war ihm unbehaglich zumute. Er rappelte sich auf und blieb noch ein wenig unsicher am Zelteingang stehen.
    Aslak schob sich nahe an ihn heran und starrte ihm ins Gesicht. »Daß Kaufleute nicht die Mutigsten sind, wußte ich«, sagte er leise, »aber daß Bootsbauer in Haithabu bei ihnen in die Lehre gehen, war mir neu.« Folke besann sich nicht lange. Ihm reichte es allmählich. Aslak konnte den Streit haben, den er suchte. »Daß Rentiere nicht sehr klug sind, wußte ich«, fauchte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, »aber daß ihre Hütejungen bei ihnen in die Lehre gehen, war mir neu.« Aslak schluckte. Folke konnte seine Kehle sich bewegen sehen und hörte, wie schwer der Mann atmete. Er machte sich auf einen Zweikampf gefaßt und schüttelte den Kopf, um sich die dumpfe Leere aus dem Schädel herauszuschlagen. Dann zog er sein Messer.
    Hrolf, der ihnen interessiert zugehört hatte, brach in lautes Gelächter aus. »Ich glaube, Aslak, mit Worten muß ein Norweger gegen einen Mann aus Haithabu verlieren. Und mangelnden Mut kannst du ihm nicht vorwerfen. Sieh dich an und sieh ihn an: Eine langbeinige Schnake mit geknickten Flügeln richtet ihren Stachel gegen einen Bären, der sie mit seinem Atem hinwegpusten könnte.« Aslak ließ die Schultern sinken. Plötzlich grinste er Folke ein wenig an und nickte. »Hrolf hat selten recht, aber heute will ich eine Ausnahme machen.«
    Folke steckte das Messer wieder zurück und lockerte vorsichtig seine Hand. Er wagte dem vierschrötigen Mann gegenüber ein Lächeln. Er hatte Glück gehabt, daß er mit Aslak aneinandergeraten war. Die meisten Norweger hätten die Sache ohne viel Federlesen mit der Waffe beantwortet. »Wenn ich es mir recht überlege, wäre es der Sache auch nützlicher, wenn du noch ein wenig erzählen könntest«, fuhr Aslak fort und nahm Folke beim Arm. Folke versteifte sich sofort wieder, aber es erwies sich, daß Aslak ihn nur beiseite führen wollte. »Zu viele Ohren sind nicht gut«, murmelte er und deutete mit dem Kinn auf das Zelt von Högni, wo sich in Schulterhöhe von Folke eine Einbuchtung abzeichnete, just da, wo sich der Kopf eines nicht allzu großen Mannes befinden würde.
    Folke runzelte die Stirn, und dann berichtete er Aslak mit gedämpfter Stimme weitere Einzelheiten.
    Währenddessen standen die meisten Männer untätig am Strand. Als einige von ihnen sich entschlossen, die Schlafsäcke zusammenzupacken, um sie im Schiff zu verstauen, rief Hjalti ihnen zu, daß sie heute noch hierbleiben würden. Da merkte Folke, wie ernst der Schiffsführer die Sache mit dem Sklaven nahm. »Der Mann war ungewöhnlich schnell«, versuchte er sich zu erinnern. »Ich bin nicht langsam, und doch war er mit mir hier.«
    »Im Kampf bin ich Wertizlaw nicht begegnet«, sagte Aslak nachdenklich, »aber Hrolf, der mit ihm zu tun hatte, wunderte sich über die Schnelligkeit, mit der er sein Kurzschwert schwang. Er war es wohl auch, der Lodin den Kampfblinden derart zugerichtet hat; und das, obwohl er nach einiger Zeit alle seine Waffen verloren hatte und auf dem Boden nach anderen suchen mußte.«
    Lodin der Kampfblinde, das war der Verletzte, der zu Hause von seiner Mutter Aasa gepflegt wurde. Niemand hatte ihn bisher erwähnt.
    »Vielleicht hast du Glück gehabt, daß du nur niedergeschlagen wurdest.«
    Jäh wurde Folke bewußt, daß es nicht selbstverständlich war, daß er noch lebte. Wertizlaw hätte ihm leicht das Genick brechen können. Er nickte.
    Als Aslak merkte, daß Folke nun alles gesagt hatte, verließ er ihn und ging hinüber zu den Männern, die Hjalti umstanden und mit ihm beratschlagten.
    Mittlerweise war es hell geworden, aber jeder konnte sehen, daß der Tag trübe bleiben würde. Eilig zogen die Wolken über den Himmel, und vielleicht würde es auch noch regnen. Solches Wetter konnte schnell in die nicht enden wollenden Winterstürme übergehen, die ihnen die Weiterfahrt unmöglich machen würden. Folke wußte, daß sie sobald wie möglich aufbrechen mußten.
    Aber Hjalti hatte anderes vor. »Wir werden suchen, bis wir ihn finden«, brüllte er über den

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