Das Drachenboot
Blut, das ihm unter die Haut schoß wie bei einem Krebs im kochenden Wasser.
Aslak nickte Folke zu, und dieser zog aus der Innentasche seines Wamses eine Handvoll Holzspäne, die immer noch ein wenig feucht waren und sich dunkel auf seiner Hand lockten. »Diese fand ich im Unterwasserschiff«, sagte Folke.
»Und?« fragte Hjalti höhnisch. »Das ist kein Beweis. Schließlich wird am >Grauen Wolf< jeden Winter gearbeitet.«
Folke fuhr auf. Auch er hatte seine Ehre, wenn sie ihm auch vielleicht nicht so weit vorn auf der Zunge lag wie manchem anderen. »Glaubst du, ich erkenne die Spuren meines eigenen Löffelbohrers nicht? Und mein Bohrer war verschwunden, nachdem ihn jemand benutzt hatte.«
»Doch nicht Alf!«
Das eben war die Frage: Wer hatte den »Grauen Wolf« versenkt, und warum? Folke marterte sich einmal mehr das Gehirn und überließ es Aslak zu antworten. »Nein«, gab Aslak verdrießlich zu, »aber seine Aufgabe war es, das Schiff in der Nacht vor Schaden zu bewahren. Er hatte die Wache. Am nächsten Morgen wunderte ich mich, daß wir soviel Wasser im Schiff hatten, und Folke, der sich mit Schiffen besser auskennt als ich, wunderte sich auch. Nur einer wunderte sich nicht: Alf, der versäumt hatte, in der Nacht zu ösen.«
Hjalti, den es schon die ganze Zeit wurmte, daß Folkes Kenntnisse über Schiffe soviel Anerkennung fanden, knirschte mit den Zähnen. Und doch konnte er nicht abstreiten, daß Aslak Alf ein unentschuldbares Versäumnis nachgewiesen hatte.
»Wie gesagt«, fuhr Aslak fort, »wenn Geirmund erfährt, welchen Anteil Alf am Verlust seines Schiffes hat, wird er sich fragen, warum du geduldet hast, daß er auch noch den Handel des nächsten Jahres gefährdet. Er wird sich eine ganze Menge fragen müssen.«
Was das war, konnte sich Hjalti selbst denken, aber es wäre unklug gewesen auszusprechen, daß Geirmund sich überlegen würde, ob er Hjalti im nächsten Jahr wieder ein Schiff anvertrauen würde. Worte, die einmal gefallen sind, entwickeln oft ein Eigenleben. Mit schweren Schritten und Gedanken trat der Schiffsführer zu Alf, der immer noch den Flammen zusah. Er legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es ist genug!« sagte er.
Alf, der weiter unten am Strand Folke und Aslak bemerkte und außerdem die Miene des Schiffsführers richtig deutete, wußte, daß Widerspruch im Augenblick unmöglich war. Was die drei beredet hatten, ahnte er zwar nicht, aber daß es zu seinen Ungunsten war, konnte er sich denken. Hinter seiner gekrausten Stirn tauchten eine Menge Möglichkeiten auf. Trotz seiner Jugend konnte Alf planen und abwarten. Und rechnen konnte er auch: Aslaks Schuldenberg war in den letzten Stunden zu einem gletscherbedeckten Fjäll emporgewachsen. Äußerlich ruhig folgte Alf seinem Schiffsführer. »Es wäre vielleicht gut, wenn du ein wenig auf deinen Mann aufpassen würdest«, sagte Hjalti zum Wachführer Aslak. »Womöglich müßte sonst Geirmund noch tiefer nachdenken.«
Für Aslak war die Drohung und die Anweisung klar genug. Alf aber wußte nicht, was gemeint war. Fragend sah er Hjalti an. »Was ist los?«
Statt des Schiffsführers antwortete Aslak. »Du hast einstweilen genug Dummheiten gemacht«, knurrte er. »Wir sind nicht hier, damit du deinen Spaß hast, sondern weil wir ein Geschäft zu erledigen haben. Geirmunds Geschäft, genauer gesagt. Und damit Hjalti dieses in aller Ruhe abwickeln kann, wirst du ab sofort neben mir bleiben und ausnahmsweise tun, was ich sage!«
Alf lachte höhnisch auf. Im Augenblick wußte er nicht, wie er sich verhalten sollte. Dann fragte er laut: »Geht es nicht gegen deine Ehre, Hjalti, daß ein Zauberer wie Aslak sich auf deinem Schiff breitmachen darf?«
Für einen kurzen schrecklichen Moment fühlte Hjalti sich von Dämonen und Riesen umgeben, und ihre Kälte überkam ihn und ließ ihn frösteln. Aber seine Gedanken wurden so klar wie ein Wildbach in den Bergen, und aus diesem tauchte die Gestalt Aslaks auf: Aslak, der es vermied, Blut zu vergießen und dem die Seelen von Steinen, Flechten, Tieren und Menschen genauso heilig waren wie die Haine der Götter, Aslak, der in der ganzen Natur einen einzigen Gott sah und verehrte.
Während die Männer, die Alfs Lachen herbeigerufen hatte, ihn schweigend umstanden, fand Hjalti mühsam zu einer allen verständlichen Antwort: »Es bringt mir mehr Ehre, das Schiff des Königs zu führen, wie dieser es erwarten darf, als deiner Ehre nachzuhelfen, die du dir mit Absicht verscherzt.«
Aslak aber
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