Das Drachenboot
Dorf geschützt, wenn dazu jemand Muße gehabt hätte.
Aber das war ohnehin nicht zu befürchten. An der Südkante des Dorfes stiegen dicke, schwarze Rauchschwaden in die Luft.
»Kommt schnell!« drängte Bjarke, als er sah, daß die Männer zögerten und am liebsten zum Brandherd gerannt wären.
»Ja«, keuchte Folke und zu Aslak: »Wir müssen wissen, warum Aud mich ruft.«
Er schoß förmlich den Pfad entlang, und Aslak und Bjarke hatten Mühe, ihm zu folgen.
10
Brandstiftung
Aud erwartete sie bereits. Sie hielt hinter ihrem Haus Ausschau über die Weiden, und doch war sie so in Gedanken, daß sie erschrak, als Bjarke, Folke und Aslak vor ihr auftauchten. »Ist es eure Absicht, das Dorf in Schutt und Asche zu legen?« fragte sie händeringend.
»Ach, das sind unsere Männer. Ja, so ungefähr habe ich mir das bereits gedacht«, sagte Aslak und drehte sich zu der Feuersbrunst um, von der hier nicht viel zu sehen war. Folke war mit seinem Herzen bei Aud und ihrem Dorf.
Aber er war ratlos, was man tun konnte. Aslak war aus anderen Gründen gegen das Niederbrennen, aber er war nicht halb so aufgeregt wie Folke. Es war nicht das erste Dorf, das sie in diesem Jahr niederbrannten.
Aber nach Aslaks Meinung mußte man wissen, wann man es tat und wann man es lassen sollte. »Daß Hjalti nicht einsehen kann, daß er Visby im nächsten Jahr braucht«, schimpfte er.
»So lauft doch!« rief Aud. Aslak nickte Folke zu. Sie rannten los.
Bei den brennenden Hütten am Südrand von Visby befand sich nur ein Teil der Mannschaft, aber wie Folke bereits geahnt hatte, war Alf dabei.
Und natürlich war er derjenige, der die anderen hin- und herhetzte, während er selber mit schweißglänzendem Gesicht, so nah er wagte, an der Hütte stand, die eben aufloderte.
In seiner Nähe war auch Hjalti, aber er versteckte seine Hände auf dem Rücken und machte ein steinernes Gesicht.
Gegen den Lärm rief Ulf, der das Feuer mit Schwemmholz fütterte, Alf zu: »Heute machen wir wieder gute Holzkohle!«
Alf aber schrie lachend zurück: »Aus Reet und Rasensoden macht man doch keine Holzkohle! Nein! Heute machen wir Dörrfleisch!« Wie ein befehlsgewohnter Jarl sah er sich um und entdeckte dabei eine Gestalt, die mit einem Bündel unter dem Arm aus einer der Hütten fortrannte. Sicher ein armseliger Bewohner, der sein Leben und seine letzte Habe rettete. »He, Ulf! Dem nach! Der soll uns nicht entkommen.«
Aber Ulf schüttelte den Kopf. Er hatte anderes zu tun. Nun sollte das Feuer tüchtig brennen, und das Holz schleppte er vom Strand herbei.
Alfs schweißnasses Gesicht verzog sich vor Wut. »Du bist mir verpflichtet. Vergiß das nicht!«
Das konnte Ulf nicht abstreiten. Aber nie hatte er daran gedacht, daß ihn Alf auf solch schäbige Weise daran erinnern würde. Er schmetterte die Holzkloben auf das Gras und lief los.
»Teuer muß er das Geschenk bezahlen«, sagte jemand leise, und Folke entdeckte den zähen, stillen Frodi neben sich, den er immer mehr schätzen lernte. Aber bevor er ihm antworten konnte, drückte Aslak warnend seinen Arm und glitt an ihm vorbei an Hjaltis Seite. »Der König hat nicht an allem Freude, was glänzt«, flüsterte er diesem in den Nacken. Hjalti hatte gemerkt, daß Aslak gekommen war. Ohne den Kopf zu drehen, fragte er zurück:
»Meinst du Alf oder die Flammen?«
»Die Flammen«, murmelte Aslak mit rauher Stimme, denn der Wind wehte ihnen den Rauch ins Gesicht. »Und an Alf hätte er wohl noch größere Freude, wenn der ihm sein Boot gerettet hätte.«
Hjalti trat jäh zurück aus dem Gewirbel von Funken und Ruß und zog Aslak mit sich. Folke folgte still wie ein Fuchs dem Köder. Nur Alf blieb zurück, ohne zu bemerken, daß zwei Männer gekommen waren und drei sich entfernten. Als sie das Geknatter der Flammen und das Wehen des heißen Aufwindes hinter sich gelassen und die Kühle des nahen Wassers erreicht hatten, fragte Hjalti: »Wie meinst du das? - Aber ich will keine Anklagen gegen Alf hören, sondern Tatsachen.«
»Tatsachen, die ihn belasten, kannst du bekommen«, erwiderte Aslak mit leisem Hohn und fragte sich, seit wann Hjalti bereit war, Wahrheiten über Alf anzuhören. »Es ist nun gesichert, daß der >Graue Wolf< nicht aus Altersschwäche Wasser gezogen hat. Er könnte noch durch das dänische Inselmeer jagen, wenn ihn nicht einer angebohrt hätte.«
»Woher weiß du das?« unterbrach Hjalti ihn. Plötzlich war sein Gesicht nicht vom Widerschein der Flammen rot, sondern vom
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