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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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wußte Aslak es nicht, und Folke konnte es auch nicht mit Worten erklären. Ein Boot, die Schöpfung von Meistern, von Künstlern - kein Ding, sondern ein Lebewesen, ein Kunstwerk mit Seele und Eigenleben: er würde es nie übers Herz bringen, es Wind und Wellen auszuliefern, damit sie es zerschlügen. Noch bevor er angefangen hatte, gab er auf und wiederholte statt dessen: »Ich war es nicht.«
    »Er hat es Hjalti noch nicht gesagt und auch sonst keinem. Ich glaube, er will es mit dir allein austragen. Zur Zeit ist Hrolf nicht auf dem Knorr«, fuhr Aslak fort. »Du könntest also nachsehen. Vielleicht glaubt Hrolf dir, wenn es dir gelingt, den Fehler zu finden.«
    Folkes Gesicht leuchtete auf. Er würde Hrolf überzeugen. Und deshalb eilte es nun. Er zog Aslak mit sich und sie rannten, so schnell es im tiefen Sand ging, zu einem der Ruderboote. Einbäume, kleinere und größere Ruderboote lagen an diesem Tag in großer Auswahl am Strand. Kein einziger Fischer war ausgefahren.
    Während Aslak und Folke zum Knorr ruderten, legte das Beiboot mit mehreren Männern gerade ab. Aslak hielt auf sie zu, und sie blieben dümpelnd nebeneinander liegen, während sich Folke nach dem Schiff erkundigte. Die Männer waren genauso erstaunt wie Aslak. Sie hatten sich gerade darüber unterhalten, daß sie ihr Glück nicht ganz aufgebraucht hatten. Den Verlust des Schiffes würden alle außer Geirmund gut verschmerzen können. Und nun waren sie unterwegs, um Proviant und Sachen zu holen, die am Strand bereitlagen. Schweigend und nachdenklich ruderte Aslak weiter. Ihm würde wohler sein, wenn Folke den Fehler bald fand. Er glaubte ihm. Er hatte den Bootsbauer als verläßlichen Mann kennengelernt, mehr von Vernunft bestimmt als von der manchmal blinden Tollkühnheit seiner norwegischen Schiffsgenossen. Ihm lag nicht wenig daran, daß Folke in Hrolfs Augen wieder zu einem ehrenhaften Mann wurde. Hrolf pflegte schnell zu urteilen, und dann war es manchmal nicht leicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Als sie längsseits gegangen waren, sahen sie, daß der Knorr tatsächlich zum Auslaufen bereit war. Hjalti verzog schmerzlich das Gesicht, als hätte er sich plötzlich daran erinnert, daß es Folke auch noch gab. Aber er sagte nichts. Die anderen Männer saßen auf dem Vorschiff und der Back und ließen die Beine baumeln, während sie auf die Rückkehr des Beibootes warteten. Sie kümmerten sich nicht um Folke. Folke stellte sich ins Ruderboot, mit den Händen an der Reling, und steckte die Nase über die Bordkante. Der erste Eindruck war immer wichtig: und er war gut. Auch Aslak warf einen prüfenden Blick ins Boot, obwohl er schon darauf gewesen war. »Trocken wie eine Fjällweide im Sommer«, sagte er erleichtert, als er selbst an der tiefsten Stelle des Knorr rings um den Mast kaum Wasser sehen konnte.
    Folke nickte. Dann schwang er sich hoch und setzte sich auf die oberste Planke. Erstaunlich, daß das Schiff nicht mehr seetüchtig sein sollte. Das Kielschwein, das Holz, in dem der Mast befestigt wurde, pflegte auch eine Gefahrenquelle zu sein, aber dort war alles in Ordnung. Während Aslak mit den Ruderern schwatzte und ihnen von Folkes Verdacht erzählte, ging Folke langsam nach hinten, aufmerksam rechts und links den Bootskörper prüfend.
    Am Ruder sah er sofort, was los war, und lachte beinahe vor Erleichterung. Jeder andere hätte es auch erkennen müssen: Der Lagerblock und der Abstandhalter des Ruders waren abgeschlagen, nur die Zurring war ordnungsgemäß nach innen durchgeführt und täuschte Funktionstüchtigkeit vor, wenn man nicht genau hinblickte und sich vor allem nicht außenbords umsah. Die Männer hatten sich durch den ansonsten guten Zustand des Knorr täuschen lassen. Auf See aber würde jede kleine Welle das Ruder hochhebeln, und es würde durch das Wasser fahren wie ein Lämmerschwänzchen am Lamm.
    »Ich hab's«, sagte er zu Hjalti, der ihm gefolgt war, weil auch er wußte, daß Folke Schiffsverstand hatte und weil er als Schiffsführer Bescheid haben mußte.
    Aber verziehen hatte Hjalti dem Bootsbauer nichts: daß er einfach weggeblieben war, das war für ihn das Schlußglied in einer langen Kette von Ärgernissen. Hjalti machte ein bitterböses Gesicht, und Folke, der am liebsten mit dem Schiffsführer ins reine gekommen wäre, jedoch nicht wußte, wie, zeigte ihm höflich und berufsmäßig alles, was er wissen mußte.
    »Ja«, sagte Hjalti endlich, und im Weggehen: »Dann bring du das in Ordnung.«
    In der

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