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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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zufrieden. »Nur ungern würde ich einen weiteren Mann zurücklassen«, erklärte er entschieden. »Wir werden ihn holen, wenn wir klar zum Auslaufen sind. So lange mag er sich unter einer sanften Frauenhand erholen.« Dann drehte er sich um und winkte seine Leute zusammen. Nicht alle waren da. Hrolf und Bolli und noch einige andere fehlten. »Wir können bald abfahren, Männer. Sucht die anderen. Was sie bisher aufgetrieben haben, muß reichen. Viel kann das Dorf ohnehin nicht hergeben.«
    Siedendheiß fiel Folke ein, daß er mit der Reparatur noch nicht fertig war. Viel mehr, als das passende Holz auszusuchen, hatte er nicht erledigt. Aber bevor er sich Hjalti erklären konnte, wirbelte auf der Dorfstraße Staub auf.
    Die Bauern und Fischer kamen in breiter Front die Straße herab, und ihre schlurfenden, zögernden Schritte bewiesen deutlich, daß ihr Kampfeswille nicht sehr groß war. Und einen Krieg beginnt man ja auch nicht mit kleinen Kindern an der Seite: die sprangen zwischen den Männern umher und waren mit dünnen Stecken bewaffnet, während die Erwachsenen ihre Äxte und schwachen Lindenschilde geschultert hatten, und wer keine besaß, hatte sich mit einem Knüppel oder einer Heugabel ausgerüstet.
    Sogar zwei alten Männern, denen der Speichel aus dem offenen Mund am Kinn entlanglief, und einem Hinkebein hatten sie Knüppel in die Hand gedrückt. Mit diesem Aufgebot von Kindern und Blöden wollten sie offensichtlich eine Forderung vorbringen.
    Hjalti und seine Männer stellten die Schilde vor sich und nahmen Sax oder Axt in die Hand, verhielten sich aber ruhig. In Speerwurfweite machten die Bauern halt. Einer von ihnen trat vor, und als sich Staub und Aufregung gelegt hatten, erkannte Folke Ragnar. Er rief: »Hjalti, ich will mit dir sprechen«, und ließ dann seine Axt auf die Erde fallen. Hjalti, der sich von einem Bauern nicht übertrumpfen lassen konnte, gab Schild und Sax an Ulf ab und trat ebenfalls vor. »Da bin ich«, sagte er. »Sprich.«
    Als Ragnar den Mann endlich zu sehen bekam, der das Heil des Königs Geirmund mit sich trug, erschrak er. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sich überwinden mußte. »Schwer ist's, gegen das Heil eines Königs zu kämpfen, auch wenn der nur seinen Steuermann geschickt hat«, sagte er mutlos zu seiner weggeworfenen Axt und dann laut zu Hjalti: »Ich fordere Buße von dir!«
    Während Hjalti erstaunt lauschte und wartete, ob noch etwas kam, brachen die Männer angesichts der wehrhaften, zitternden Bauern, die von einem schielenden, großmäuligen Zwerg angeführt wurden, in brüllendes Gelächter aus. »Bei Thor! Wofür?« rief Hjalti zurück und hob die Hand, damit sie still würden und er die Rechtfertigung der Bauern hören konnte.
    »Für den Tod des Bogenmachers«, rief Ragnar zurück.
    Hjalti schüttelte verwundert den Kopf, dann fragte er in die Runde der Männer hinein: »Weiß einer von euch etwas vom Tod des Bogenmachers?«
    Keiner wußte etwas.
    »Wir haben keinen Mann außer dem Bauern getötet, der unseren Bard erschlug, und das war rechtens«, sagte Hjalti verärgert. »Kein Lug und kein Trug und kein Hinterhalt.«
    Der Bauer Ragnar nahm seine Axt auf und trabte näher, ohne darauf zu achten, daß die Norweger in Bereitschaft gingen. »Das muß besprochen werden«, nuschelte er und rollte die Augen, deren Blickrichtung auch Hjalti verwirrte. »Sie bringen ihn gleich her, dann kannst du dich überzeugen.«
    In diesem Moment bildeten die Bauern bereits eine Gasse für zwei Männer mit einer Bahre aus Knüppeln. Schweigend setzten sie die vor Hjalti und Ragnar ab. Vom Kopf des Mannes war nicht viel übrig, aber sonst war er einigermaßen wohlerhalten und hatte unzweifelhaft noch bis vor einigen Stunden gelebt.
    Als Folke sich bückte und seine Hand anfaßte, war diese jedoch schon eiskalt.
    »Ich weiß nicht, wie er heißt«, sagte Ragnar, »aber der Totschläger war bestimmt derjenige, den ihr auf Erri zurückgelassen hattet. Weil er zu eurer Mannschaft gehört, fordere ich von dir Buße. Ich würde sie auch von dem Täter entgegennehmen, aber er ist fort. Und deine Buße ist mir sogar lieber als seine.«
    »Wen meint er denn?« fragte Hjalti, zu erstaunt, um gegen die Forderung zu protestieren.
    »Sven!« sagte Folke hart. Ausgeschlossen war es nicht. Wer stiehlt, mordet auch.
    »Ein Werwolf ist derjenige, den du Sven nennst!« rief Ragnar furchtsam. »Seine Augen leuchten im Dunkeln, und wen ihr Schein trifft, der muß

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