Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
zuvorgekommen?
»Hast du irgendetwas über den Verbleib der Figur erfahren?«, drängte Lahryn.
Ibis schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe immer nur gehört, dass die Diebe es auf Bücher und Schriftrollen abgesehen und bei ihrer Flucht einen Teil der Bibliothek in Schutt und Asche gelegt haben. Seitdem empfängt der Meister keine Besucher mehr und lässt keine Fremden auf sein Anwesen – außer einer unbedeutenden Küchenhilfe, versteht sich. Die männlichen Bediensteten sind sich übrigens einig, dass diese Frau mit den Schlangen das Unglaublichste ist, was sie jemals gesehen haben.« Ibis feixte. »Ich erspare euch die Beschreibung ihrer Taille und ihrer Brüste und so weiter. Während die weiblichen Dienstboten eher eine rohe Person gesehen haben wollen, die nichts anderes konnte als ihr Schwert zu schwingen. Jedenfalls würde ich die gerne mal kennen lernen. Das hört sich doch spannend an, oder?«
»Das ist jetzt nicht wichtig«, wehrte Thunin ab. »Das Einzige, was zählt, ist die Frage: Ist die Figur noch da drinnen?«
Ibis zuckte mit den Schultern. »Das können wir nur rausfinden, indem wir das ganze Anwesen auf den Kopf stellen.« Thunin und Cay stöhnten gequält.
»Die Figur ist noch hier!«, sagte Rolana plötzlich. Sie stand da, das Amulett in beiden Händen dem Haus entgegengestreckt, so weit es das Lederband um ihren Hals zuließ. »Ich kann seine Schwingungen spüren.«
»Dann müssen wir uns etwas ausdenken, wie wir trotz des Kraftfeldes hineinkommen.«
»Warum? Ich bin doch schon drin und kann mich in Ruhe den Rest der Nacht umsehen. Und wenn ich die Figur habe, dann komme ich einfach zu euch raus«, schlug Ibis vor.
»Und wie willst du das anstellen?«, wollte Thunin wissen. »Selbst wenn du die Figur findest, kannst du sicher nicht einfach durch das Tor rausspazieren.«
»Nein, das glaube ich auch nicht«, pflichtete ihm der Magier bei. »Es ist genauso gesichert wie der Zaun und wird von irgendwo im Haus für die Bediensteten freigegeben, wenn diese rein oder raus müssen.«
»Dann muss ich eben einen anderen Weg nehmen«, sagte die Elbe und ging mit suchendem Blick am Zaun entlang. »Ah, das müsste gehen!« Sie ließ sich auf die Knie nieder und betrachtete einen Busch, dessen Zweige mit den eisernen Stäben des Zauns verwoben waren.
»Was machst du da?«, zischte der Zwerg.
»Ibis, Vorsicht! Wir wissen nicht, was die Strahlen mit uns machen«, warnte auch der Magier. »Das Mindeste ist, dass sie den Hausherrn alarmieren.«
»Das glaube ich nicht«, sagte die Elbe selbstgewiss. »Seht euch das an. Glaubt ihr, der alte Wan will sich jede Nacht ein Dutzend Mal wegen eines Kaninchens wecken lassen? Und ich sehe hier auch keine gerösteten Kadaver herumliegen. Die Verbindung zwischen den beiden Eingängen führt hier unter dieser Strebe hindurch, und ich gehe jede Wette ein, dass das Feld hier ein Loch hat.«
»Warte, Ibis, lass das Lahryn überprüfen«, bat Rolana.
»Sie hat Recht«, sagte der alte Magier ein paar Augenblicke später verblüfft. »Der Schutzschirm hat an dieser Stelle ein Loch.«
Ibis nickte zufrieden und schlängelte sich mit fließenden Bewegungen zwischen den Zweigen und unter den Zaunstreben hindurch und erreichte unversehrt die andere Seite.
»Wenn Ibis da rauskommt, kommen wir doch auch sicher auf diesem Weg rein!«, sagte Cay.
Thunin sah erst die Elbe an und dann den muskulösen Kämpfer. »Cay, bist du mal neben Ibis vor einem Spiegel gestanden? Also, ich passe nicht durch dieses Kaninchenloch! Und du auch nicht. Wenn jemand mitkommen kann, dann höchstens noch Rolana, oder vielleicht Lahryn.«
Der Magier wehrte ab. »Nein, so gelenkig bin ich nicht mehr.«
»Was nun?«, wollte Ibis wissen. »Die Zeit läuft uns davon. Wenn es erst mal hell wird, ist es zu spät, um durch das Haus zu geistern. Und noch einen Tag Küchenarbeit überlebe ich nicht.« Sie zog eine Grimasse.
»Ich könnte versuchen, das Loch zu erweitern, ohne dass wir an die Barriere stoßen«, schlug Lahryn vor.
»Und wie lange wird das dauern?«, fragte der Zwerg.
»Ich weiß es nicht«, musste der Magier zugeben.
»Gut, dann gehe ich schon mal vor«, sagte Ibis und schlüpfte wieder durch das Loch. »Rolana, kommst du mit?«
Die junge Priesterin nickte. »Ja, ich denke, ich kann dir helfen, die Figur im Haus aufzuspüren.« Sie unterdrückte die Zweifel und ihre Furcht und legte sich vor dem Loch auf den Boden. Dass sie Hose und Wams beschmutzte, durfte sie nicht kümmern. Sie
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