Das Drachentor
lag er auf dem Rücken, die Elfe war über ihm und ihr bloßes Knie drückte gegen seine Kehle. Das Fackellicht zeichnete ihre Haare mit einem lodernden Kranz nach. »Dein Schwert!«, zischte sie. Revyn war für einen Augenblick ganz perplex - sie konnte seine Sprache!
»Dein Schwert, sofort!« Ihr Knie schnürte ihm fast die Luft ab. Mit bebenden Händen bekam er den Schwertgriff zu fassen. Er zog die Waffe und hielt sie über sich; das Elfenmädchen schob die Handfesseln blitzschnell an der Klinge entlang, das Knie verschwand von seiner Brust und einen Augenblick später fielen zerschnittene Seile auf ihn herab. Mit dem Fuß stieß die Elfe ihm das Schwert aus der Hand. Es landete klirrend in der Dunkelheit. Wie ein Schatten huschte sie durch den Kerker und beugte sich über den reglosen Twit. Etwas Helles blitzte auf, als sie ihren Dolch aus seiner Hand riss, dann trat sie Twit noch einmal in den Rücken und eilte aus der geöffneten Tür. Gedämpfte Schreie folgten ihr.
Revyn fuhr nach Luft ringend hoch. Sein Blick glitt durch den Kerker: Twit auf dem Boden, die Wachen vor der Tür zusammengesunken und Capras - Capras lehnte schwer atmend an der Wand. Seine vom Rausch glänzenden Augen waren starr auf Revyn gerichtet.
Kurzerhand rappelte Revyn sich auf, fand sein Schwert in der Dunkelheit wieder, rannte an Capras vorbei und sprang über die reglosen Wachen hinweg nach draußen.
Schrille Warnhörner zerrissen die Stille der Nacht. »Alarm! Die Elfe! Die Elfe ist ausgebrochen!« Capras torkelte noch schreiend über den Platz, als längst alle Männer nach draußen gestürmt waren. Nicht nur Drachenkrieger, auch Stallburschen, Wachen und Schaulustige tummelten sich bald vor dem Rathaus. In den Wachtürmen rund um die Mauer wurden Alarmfeuer entfacht, sodass der Stadtteil der Drachenkrieger hell erleuchtet war. Wachen mit Laternen rannten herbei, um die Stadtmauern und Straßen abzusuchen.
Revyn stand mit gezücktem Schwert inmitten der aufgebrachten Menge. Er drehte sich in jede Richtung, aber von der Elfe keine Spur. »Sie kann nicht aus der Stadt«, murmelte er. »Die Tore sind bewacht … niemals kommt sie aus der Stadt.«
Jähe Schreie vom Rathaus her ließen ihn zusammenfahren. Das Tor war weit geöffnet, helles Licht drang auf den Platz hinaus. Ein tiefes Donnern fuhr durch den Boden. Tierlaute dröhnten durch die Nacht. Die Rufe von Drachen. Panisch stürzte die Menschenmenge auseinander, denn aus dem Rathaus preschte eine Drachenherde. Auch Revyn rettete sich im letzten Augenblick vor den zermalmenden Krallen und sprang zur Seite. Staub wirbelte auf. Sein Blick irrte durch die Drachenschar und da - tatsächlich! - da war das Elfenmädchen.
Sie ritt ganz vorne an der Spitze der Herde, doch kaum erreichten die Tiere die Treppen, sprang sie von ihrem Drachen ab, und Revyn verlor sie in dem Gewühl aus den Augen.
»Palagrin!«, rief Revyn verzweifelt. Nun hielt er nur noch nach dem Drachen Ausschau und kämpfte sich an den umstehenden Menschen vorbei, um ihn zu finden. »Palagrin!« Aus der Horde löste sich ein einzelnes Tier. Palagrin stieß einen tiefen Ruf aus, brach aus den voranstürmenden Reihen seiner Artgenossen aus und raste auf Revyn zu. Die Menschen flüchteten augenblicklich aus seiner Nähe. »Palagrin!« Revyn streckte ihm erleichtert den unverletzten Arm hin. Der Drache hielt vor ihm an und hob ihn auf den Rücken. Dann galoppierten sie los, durch die Menschen- und Drachenmassen.
»Da oben!« Revyn deutete in die Höhe. Auf der Stadtmauer hob sich eine dunkle Gestalt vom Nachthimmel ab. Sie lief schnell und geduckt, dann sprang sie, und kam vor den Gehegen der Winddrachen auf. Mittlerweile hatte nicht nur Revyn sie entdeckt. Aufgeregte Rufe wurden laut, Pfeile hagelten in ihre Richtung. Revyn ritt, so schnell er konnte. Was tat sie bloß …?
Bald dämmerte es ihm. Sie betätigte eine schwere Kurbel. Eisen rasselte. Sie löste die Ketten der Winddrachen! »Die Drachen!«, schrie jemand im selben Moment. »Die Elfe will die Drachen rauben!«
Inzwischen hatte sie die Kurbel wieder verlassen, die über und über mit Pfeilen bespickt war. Für einen Augenblick irrten Revyns Augen durch die Dunkelheit und suchten sie vergebens; dann tauchte sie mit einem Mal wieder auf der Stadtmauer auf.
Palagrin hatte eine Treppe erreicht, die zu den Stegen hinaufführte. Revyn sprang ab, noch ehe der Drache zum Stillstand gekommen war, und rannte die Treppe schneller empor als jemals zuvor. Auf dem
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