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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Steg angekommen, blieb er einen Moment stehen und starrte die Elfe an. Sie verharrte reglos auf der Stadtmauer und blickte auf das glühende Menschennest unter sich hinab. Der rote Schein der Feuer spiegelte sich auf ihren Beinen und Armen. Dunkle Haare tanzten vor ihrem Gesicht. Plötzlich hob sie die Hände. Pfeile pfiffen an ihr vorbei, doch sie regte sich noch immer nicht.
    Die Drachen spannten die Flügel und richteten sich auf. Das Gebälk ihrer Gehege flog in alle Richtungen, als sie mit dem Schwanz um sich schlugen. Holzsplitter regneten auf Logond und die Menschen hinunter. Revyn hob schützend den Arm, als die Trümmer auch über ihn hinwegfegten. Die Luft bebte, als sich die Tiere erhoben. Ihre Flügel verursachten so starke Winde, dass die Strohdächer ihrer zerstörten Ställe wie welkes Laub durch die Luft flatterten.
    Revyn richtete sich auf und sein Blick suchte erneut die Elfe. Sie stand noch immer auf der Stadtmauer, die Hände weit emporgestreckt. Der Wind ließ ihr Kleid flattern und verzerrte ihren Umriss in der Dunkelheit. Sie sah aus wie ein Geist. Wie ein Trugbild … Ein Pfeil sirrte durch die Luft und bohrte sich in ihren Körper.
    »Nein! Neein !« Revyn machte einen Satz nach vorne, aber natürlich hätte er nichts mehr tun können. Der Pfeil riss sie von der Mauer und sie stürzte in die Tiefe. Tot - sie ist tot.
    Einer der Drachen, der sich soeben in die Luft erhoben hatte, stieß einen schrillen Schrei aus. Im nächsten Augenblick ließ er sich senkrecht in die Dunkelheit fallen. Der Luftzug seines Falls wirbelte erneut die Überreste der Gehege auf und schleuderte sie Revyn wie eine Welle aus Faustschlägen und Tritten entgegen. Trotzdem rannte er los, bis er an der Stelle angekommen war, wo sie hinabgestürzt war. Seine schlitternden Füße kamen zum Stehen, er beugte sich über die Mauer und starrte in den Abgrund. Sekunden vergingen. Tot. Ist sie tot?
    Etwas Großes erhob sich direkt vor ihm aus der Tiefe. Ein Flügel erfüllte einen Moment lang seine Sicht, dann stieß sich der Drache mit einem kräftigen Schlag höher. Unter ihnen brachen laute Rufe der Verblüffung aus, denn dort, auf dem Rücken des Drachen, saß die Elfe.
    Irgendwo in Brusthöhe ragte noch immer der Pfeil aus ihrem Körper. Mehr sah Revyn nicht von ihr. Augenblicklich hatten sie fünf Meter an Höhe gewonnen, der Drache drehte bei und flog direkt über Logond hinweg. Neue Ausrufe des Erstaunens schwollen unter ihnen an.
    Nie hatte man jemanden wie die Elfe auf einem Drachen fliegen sehen. Wegen der offenen Flügel musste sie sehr weit vorne sitzen, doch das war gefährlich - warf der Drache den Kopf zurück, konnten die Hörner sie aufspießen. Aus dem Grund wurde den Winddrachen normalerweise der Kopf an die Brust gebunden, wenn sie flogen. Der Drache, auf dem die Elfe saß, trug nichts, weder Sattel noch Zaumzeug.
    Revyn lief an die äußerste Stadtmauer und stützte sich mit den Armen so weit vor, wie er konnte. Ein letzter rauschender Windstoß schlug ihm entgegen und verebbte wie eine Welle. Dann waren die Drachen und das Mädchen mit dem Himmel verschmolzen.
    Inzwischen war eine Gruppe Bewaffneter bei Revyn angekommen. Schnaufend hielten die Bogenschützen inne. »Wer war sie?«, fragte er. »Wer war das Mädchen?«
    »Das weißt du nicht?«, keuchte einer der Männer. »Das war … die Hüterin der wilden Drachen. Die Elfen sagen, sie sei heilig. Eine kleine Göttin … die kleine Göttin der Barbaren!«
    Revyn starrte in die Nacht.

Yelanah
    Revyn erwachte in seinem Bett, als es dämmerte. Seine Kammer war in graues Zwielicht getaucht. Er richtete sich auf und fuhr sich über den Verband am Arm. Die Wunde schmerzte, als würde ihm jemand langsam den Arm absägen.
    Als er in den Korridor trat, kamen ihm Männer mit müden, verschlossenen Gesichtern entgegen. Niemand grüßte ihn. Revyn ging schneller, bis er im Eilschritt lief und hinaus auf den Platz kam. Fast dreißig Drachenkrieger hatten sich versammelt, jedoch fehlte ein Großteil der benötigten Drachen. Die mürrische Hälfte der Männer musste sich mit Pferden zufriedengeben.
    »Geht die Suche nach den gestohlenen Drachen los?«, fragte er. Einer der Krieger nickte verdrießlich. »Ich komme mit. Wartet auf mich. Ich hole meinen Drachen.«
    »Der ist weg. Sie sind fast alle entkommen!«, rief ihm der Krieger nach, aber Revyn lief bereits zu den Ställen. Hier war es wie ausgestorben, nur zerstreutes Heu und zertrümmerte Holztüren waren übrig

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