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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Grau und Weiß des Waldes. Dann rissen vor ihm die Nebel auf. Er sah den dämmrigen Himmel, der sich schwer und tief über einer Lichtung wölbte. Aber nein, es war keine Lichtung: Es war der San Yagura Mi Dâl. Der See, der immer wartet.
    »Nein … Yelan!« Revyn sah, wie sie ins Wasser stieg. Das Schilf klagte wie aus hundert Kehlen in den Sturmböen. Blätter flatterten durch die Luft und landeten auf den unruhigen Wellen. Das Wasser stieg Yelanah bereits bis zu den Hüften … bis zur Taille …
    Revyn stolperte über die Steine am Ufer, brach ins Wasser - es war eiskalt. Wellen klatschten gegen seine Brust. Schnell, er musste schneller vorwärts … Das Wasser griff nach Yelanahs Schultern. Nur noch ein paar Meter … Er streckte die Hände nach ihr aus, als der Wind ihm entgegenblies und Wasser ins Gesicht spritzte. Er kniff die Augen zusammen. Vor sich sah er flatternde Haarsträhnen, die in den Wellen verschwanden.
    Revyn tauchte unter Wasser. Er bekam etwas zu fassen. Einen Ärmel. Er zog daran und ergriff Yelanahs Arm. Prustend stieß er an die Oberfläche, dann umschlang er Yelanah und hob ihren Kopf aus dem Wasser. Ihre Augen waren geschlossen. Mühselig zerrte er sie in Richtung Ufer und blieb stehen, als die Wellen ihnen gegen die Hüften schlugen. Yelanah hustete und japste nach Luft.
    »Der Ruf … er hat dich in den See gelockt«, sagte Revyn atemringend. »Du wärst fast …« Sie zitterten in ihren durchnässten Kleidern, als der Wind sie umstrich. Yelanah schniefte und hustete - dann umarmte sie Revyn wortlos. Er spürte, wie sie schluchzte. Spürte ihre kalte Stirn an seiner Wange. Behutsam schloss er die Arme um sie.
    »Schwöre, dass es nicht wahr ist! Du bist nicht mein Feind. Du kannst nicht mein Feind sein! So sehr können die Götter mich nicht hassen!« Tränen strömten ihr übers Gesicht. Sie ballte die Faust. Wasser lief zwischen ihren Fingern hervor. »Unsere Zeit rinnt schon dahin wie Wasser … ich kann es nicht aufhalten. Mit noch so viel Kraft nicht.«
    »Zusammen können wir es, du und ich. Ich weiß nicht, wer ich bin, aber ich bin auf deiner Seite! Vertrau mir. Dann kann ich mir selbst vertrauen … ja?« Revyn schloss seine Hand um ihre Faust. Sie sah ihn lange an, wie er in der Kälte zitterte und sie hielt.
    »Du bist es doch«, sagte sie leise. »Du bist der letzte Mahyûr . Egal was Octaris prophezeit. Ich vertraue dir.«

Das Verschwinden

Der letzte Mahyûr
    Ardhes saß schluchzend auf dem Boden. Zehn Jahre … Zehn Jahre lang hatte sie an den falschen Traum geglaubt. Zehn Jahre hatte sie gewartet! Und worauf? Nur um ihr Herz zu öffnen, es vor allen zu offenbaren, es zu verlieren … Nicht sie war die Tochter eines Elfenkönigs, die der große Ahirah liebte. Nicht sie … sondern ein Elfenmädchen, das sich mit Tieren in der Wildnis herumtrieb!
    Als ihr Vater ihre Schulter berührte, verkrampfte sie sich. »Ardhes- ayen «, murmelte er traurig.
    »Fass mich nicht an!« Sie schlug seine Hände weg und stand auf. »Und nenn mich nicht so … Deine dreckigen Elfenvisionen … Ich hasse dich!«
    Octaris starrte sie an. »Was habe ich getan?«
    »Du hast mir deine Märchen erzählt, Nacht für Nacht! Du hast von deinen verfluchten Ahirah erzählt, bis ich dachte, dass es einen Grund dafür gibt! Aber für dich bin ich weniger wert als irgendeine wilde Elfe! Ich bin nicht wichtig genug, um eine Rolle in deiner Geschichte zu spielen.«
    »Ardhes«, sagte Octaris beherrscht. »Nicht ich, Ahiris entscheidet, wer welche Rollen in der Welt spielt -«
    »Ich verfluche deinen Ahiris!«, schrie Ardhes. Dann rannte sie aus dem Zimmer, nur fort, fort, um ihren Vater nie wieder zu sehen. Sie wollte sterben. Wenn sie nicht das Leben bekam, das sie erwartet hatte, wollte sie gar keins. Sie schluchzte erstickt, während sie lief. Sie hatte einen Bauernjungen geliebt. Sie hatte einen Mörder geliebt.
    Als sie nach draußen kam und die Außenmauer erreichte, wurde sie langsamer und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Ihr Herzschlag beruhigte sich, bis jedes Pochen träge und schwer wie ein Hammerschlag durch ihre Brust ging. Ihre Tränen waren getrocknet, als sie ihr Zimmer erreichte. Wenn Candula gerade am Fenster saß und strickte, würde sie sie hinausschicken. Sie wollte einsam in ihrem Bett liegen. Und zwar für immer.
    Als sie die Tür öffnete, saß nicht Candula am Fenster, sondern Königin Jale.
    »Ich habe von meinen Zofen erfahren, dass du Besucher zu deinem Vater geleitet hast.

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