Das Drachentor
konnte - und wollte. Worte würden nichts an ihrem Beschluss ändern. Nein, sie durfte sich von Visionen nicht lähmen lassen.
Yelan.
Sie drehte sich um. Ijua!
Die junge Dar’hana trat aus den Schatten des Waldes. Das Fell über ihren Augen und auf ihrer Stirn war hell, was ihrem Gesicht etwas Weiches verlieh - und doch zeugten ihre sternklaren Augen von Ernst.
Ihr seid wieder in der Nebelwelt? Yelanah war aufgestanden. Hinter Ijua tauchten auch die anderen Drachen auf. Ijua bedeutete Yelanah, Witterung aufzunehmen.
Menschen. Sie kommen an den Nebeln vorbei, sagte Isàn. Yelanah schnupperte in die Luft. Nach dem Regen waren die Gerüche des Waldes so klar, als habe er sie allesamt rein gewaschen.
Menschen, bestätigte sie . Pferde und ihr Metall.
Ijua stieß langsam und drohend den Atem durch die Nüstern. Sie sind bewaffnet.
Was macht dich so wütend? Sie kommen doch oft an den Nebeln vorüber.
Diesmal sind Brüder und Schwestern dabei.
Yelanahs Augen glühten. Gefangene?
Ja.
Yelanah biss die Zähne zusammen. Trommelt alle Stämme zusammen. Die Jahelán, Morghasu, Xhan, die Ivra, die Hevorah und die Lharag - heute ist der Tag unseres Kampfes.
Ijua zögerte. Du willst die Stämme jetzt versöhnen?
Ich versuche es nur noch dieses eine Mal. Heute überrede ich sie wirklich. Wir treffen uns gleich im Tal, beim Buchenwäldchen.
Wie du willst.
Als die Drachen davongaloppierten, drehte Yelanah sich um. Revyn war aufgewacht. Gerade schlüpfte er unter dem Felsen hervor, ein wenig schlaftrunken noch. Yelanah ging auf ihn zu, schob sich leicht an ihm vorbei und ergriff ihren Gürtel.
»Was war los?« Er rieb sich die Augen, während Yelanah sich hastig den Gürtel um die Hüfte band.
»Der Stamm war hier. Und die Menschen - sie sind auch im Wald. Mit gefangenen Dar’ hana. Ich habe alle Stämme zusammengerufen.«
»Alle Stämme?«
»Heute müssen sie gemeinsam in den Kampf ziehen und ihre eigenen Fehden vergessen.« Bevor Revyn noch eine Frage stellen konnte, lief Yelanah auf ihn zu und sah ihn mit leuchtenden Augen an. Die Tränen der vergangenen Nacht hatten den Kummer aus ihnen geschwemmt; nun funkelte in ihnen die Willenskraft.
»Jetzt beginnt unser Kriegszug. Uns bleibt nicht viel Zeit, wenn wir die Dar’hana retten wollen … Komm, ich erkläre dir alles auf dem Weg!«
Yelanah und Revyn kehrten erst zum Ring der Eichen zurück, der hier in der Nebelwelt nicht fern war. Sie brauchten nur eine knappe halbe Stunde, bis sie den blühenden Sumpf erreichten. Yelanah holte ihren Speer und zog sich einen Lederharnisch über, der mit den Holzperlen der Elfen geschmückt war. Dann führte sie Revyn durch den Wald, einen flachen Hang hinab und zu einem kleinen Talkessel voller Buchen. Auch hier war das Gewitter nicht spurlos vorübergegangen; mächtige Stämme waren in der Mitte geborsten und hatten Schneisen in das wuchernde Grün geschlagen. Holzsplitter, so scharf wie Lanzen, stachen aus den Baumstümpfen. Von den Blättern rollte der Tau und überall tropfte und raschelte es. Während sie durch den Wald gingen, zupfte Yelanah hier und dort Früchte und Beeren von den Sträuchern.
»Ich glaube, ich habe dir schon einmal erzählt, dass es heute nur noch sieben Dar’hana -Stämme in diesen Wäldern gibt. Unter ihnen herrscht Streit, seit das Reich des Waldes wegen der Städte der Menschen schrumpft. Jedenfalls habe ich ein paarmal versucht, die Stämme zu versöhnen, doch sie sind stur. Jetzt haben sie keine Wahl mehr - sie müssen sich verbünden und gemeinsam gegen die Menschen kämpfen. Und sie werden es auch tun.«
»Was macht dich da so sicher?«
Yelanah lächelte sorgenvoll. »Jetzt bist du auf unserer Seite. Vielleicht fassen sie Vertrauen.« Sie blieben stehen. Yelanah kletterte auf einen niedergestürzten Baumstamm, über dessen silberne Rinde der Regen schwarze Streifen gezogen hatte, und blickte in die Ferne.
»Sie kommen«, sagte sie leise, als Revyn neben ihr auf den Baumstamm stieg. Er hielt die Luft an beim Anblick der Drachenherden, die aus allen Richtungen ins Tal wanderten.
Yelanah! Yelanah!
Die Grüße der Dar’ hana kamen ihnen von überall entgegen und echoten durch Revyns Gedanken. Nie hatte er so viele wilde Drachen auf einmal gesehen. Einige von ihnen waren größer als alle, die er je zuvor erblickt hatte, ihre wuchtigen Mittelhörner mochten bis zu drei Ellen messen. Hinter ihm und Yelanah trat der Stamm der Nimorga aus dem Dickicht. Palagrin sandte Revyn eine
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