Das Drachentor
vertraute Begrüßung.
Unter den anwesenden Dar’ hana herrschte eisiges Schweigen. Feindselige Blicke wanderten von Stamm zu Stamm, und Revyn spürte, wie die Luft vor unausgesprochenen Drohungen knisterte.
Yelanah atmete tief ein, dann erhob sie ihre Stimme, so laut und klar, dass Revyn im ersten Moment zusammenzuckte.
Ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid! Hijuia, Führer der Xhan, sei gegrüßt - auch dich zu sehen freut mich, Fâhir von den Ivra, Bael und der Stamm der Jahelán - eure Anwesenheit ehrt mich. Nun will ich erklären, wieso der Stamm der Nimorga und ich euch zusammengerufen haben. Viele Menschen ziehen durch unsere Wälder. Und mit ihnen gefangene Brüder und Schwestern. Vor einigen Wochen ist etwas Ähnliches passiert, als der große Menschenschwarm gen Osten zog.
Revyn wurde klar, dass Yelanah von nichts anderem als dem haradonischen Heer sprach.
Damals versuchte ich, euch zu einem gemeinsamen Pakt zu überreden. Doch ihr habt abgelehnt.
Und werden es wieder tun!, schnitt einer der Dar’ hana ihr das Wort ab. Es war ein Drache mit kleinen, funkelnden Augen, der an der Spitze eines Stammes stand. Deine Versuche, ein Bündnis zu schaffen, sind vergebens! Der Stamm der Xhan ist mit den Morghasu verfeindet. Ich sehe nichts, was uns außer dieser Feindschaft verbinden könnte.
Dann seid ihr blind!, rief Yelanah. Wir werden alle gemeinsam untergehen, wenn ihr nicht bald euren wahren Feind erkennt.
Ein anderer Drache trat vor und scharrte mit den Krallen. Hüte dich, die Stammesführer belehren zu wollen, Meleyis … Du gehörst zu uns Dar’hana , du bist die Tochter der Nebelgeister, und wir ehren dich, wie wir die Kleinen Götterkinder immer ehrten. Aber du bist trotzdem nur eine Angehörige der Nimorga.
Yelanah stampfte mit dem Fuß auf. Ja, ich gehöre zu euch! Euer Schicksal ist das meine! Darum hört auf mich und kämpft! Kämpft gegen die Menschen, bevor es vollends zu spät ist! Ich habe einen Propheten um Rat gefragt. Er sagte … unser Untergang ist zu verhindern, wenn wir uns der Herrschaft des Menschenvolkes entziehen!
Revyn starrte sie an.
Ja, aber wie?, rief ein anderer Drache dazwischen. Als du uns das letzte Mal gegen sie anführen wolltest, waren es Tausende, die durch unser Reich marschiert sind. Tausende! Wir Freien sind nur noch wenige, sollen wir gegen so viele Menschen kämpfen?
Mit drei großen Sätzen kam Isàn hinter Yelanah hervor und stellte sich vor sie. Sein Blick wanderte langsam von Stamm zu Stamm. Diesmal sind es nicht Tausende. Es sind sehr viel weniger, ich habe sie beobachtet. Und sie haben Brüder und Schwestern bei sich - die werden sich uns anschließen.
Anschließen?, höhnte der Führer der Xhan. Er hob den Kopf. Ich hatte zwei Söhne, die das Menschenvolk stahl. Fünf Jahre vergingen in der Wirklichkeit. Dann sah ich sie wieder und sie hatten sich den Zweibeinern unterworfen. Sie trugen ihre Lederriemen um die Stirn und ihre Sättel auf den Flügeln. Als ich auf sie zustürmte, um sie zu befreien, befahlen die Menschen ihnen zu fliehen - und meine Söhne, mein eigen Fleisch und Blut, sie galoppierten vor mir davon, um ihre Meister zu schützen. Sprecht nicht von Brüderschaft. Die Dar’hana , die sich den Menschen unterwerfen, sind keine Brüder mehr. Für sie können wir nicht unser Leben opfern.
Revyn atmete schwer vor Erschütterung. Die Gedanken- und Bildersprache des Drachen hatte ihn so berührt, als hätte er seine traurige Geschichte selbst erlebt.
Wenn wir nicht zusammenhalten, geht unser Volk unter, rief Yelanah. Erinnerst du dich nicht an den letzten Winter, Hijuia der Xhan? Hast du vergessen, dass drei deiner Angehörigen dem Ruf der Nebel in den Tod folgten? Kein Knochen ist von ihnen geblieben, so als habe es sie nie gegeben, und dasselbe Schicksal erwartet auch euch, wenn ihr euch nicht wehrt!
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann trat eine Dar’ hana vor, die bis jetzt geschwiegen hatte.
Hijuia und die Xhan haben recht. Wieso sollten wir unser Leben aufs Spiel setzen, um die zu befreien, die ihren Willen verloren haben? Es stimmt, Meleyis , der Ruf der Unwirklichkeit verfolgt uns alle, wir hören ihn jeden Tag und in jedem Traum - aber was haben wir davon, ihm zu entgehen, wenn wir im Kampf gegen die Menschen und unsere eigenen Brüder und Schwestern sterben? Du kannst uns nicht gegen sie aufhetzen, unser Hass auf die Menschen ist längst verwelkt. In deinem jungen, unerfahrenen Herzen glüht er noch, aber was bedeutet
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