Das Drachentor
Rasum?« Alasar ließ die Finger über die Waffen gleiten. Dann ergriff er einen Bogen samt Pfeil und befühlte das glatte, feste Holz. »Ihr bekommt das Salz. Nicht meine Drachen.«
Rasum hielt verstört inne. »Aber wie soll ich das Salz transportieren? Ja, mein Herr, ich dachte, das wäre klar: mein Wagen gegen Eure Wagen! Und die Drachen gehören zu Euren Wagen dazu …«
»Ich hatte eigentlich nicht vor, sie wegzugeben.«
Rasums Augen blitzten. »Das ist bedauerlich, junger Herr, wo Ihr unser Tauschgeschäft schon akzeptiert habt.«
Als Alasar nichts mehr erwiderte, zuckte Rasum die Schultern und versuchte erneut, alle fünf Drachen an den Zügeln zu fassen. Die Tiere scheuten und die Wagen stießen dumpf gegeneinander. Rasum fluchte.
»Es sieht aus, als hättet Ihr Schwierigkeiten«, sagte Alasar.
Rasum riss ungeduldig an den Zügeln eines Drachen und versuchte, sie mit den Zügeln eines anderen zu verknoten. »Ich komme schon klar.«
»Ganz alleine mit den fünf Wagen zu reisen wird für Euch ein Problem. Ich kann das Problem lösen.« Er drehte sich um, spannte den Bogen und schoss. Der Pfeil bohrte sich zwischen die Schulterblätter des Händlers. Mit einem Schrei sank er vornüber.
Alasar legte den Bogen wieder in den Karren zurück und schloss die Plane. Aus der Höhlenöffnung traten seine Krieger, nahmen die Drachen an den Zügeln und schleiften den toten Händler in die Schatten der Felsen. Nach drei Jahren war das Geschäft mit Rasum endgültig abgeschlossen, bevor er sein größtes Geheimnis hätte verraten können. Alasar atmete tief durch. Nun war wirklich alles erledigt.
Isdad
Sie waren den Tunneln bis an die äußerste Grenze ihres Reiches gefolgt. Nun gab es kein Zurück mehr. In den vordersten Reihen ritt die Drachengarde - niemand flog, denn die Drachen mussten geschont werden. Hinter ihnen wurden die Vorräte in großen Wagen gezogen. Etwa zwanzig Reiter auf Pferden bildeten die Nachhut. Alasar hatte dafür die schlechtesten Krieger ausgewählt.
Zwei, höchstens drei Tagesritte trennten sie von Isdad, der Hauptstadt Myrdhans. Bis dahin würde das haradonische Heer kaum genug Zeit haben, um von ihnen zu erfahren, geschweige denn sich gegen sie zu rüsten. Auch der König von Myrdhan, der in der belagerten Stadt gefangen war wie ein Dieb mit seiner Beute, würde eine Überraschung erleben.
Am Nachmittag brachen die Wolken. Erst fiel leichter Regen und warf flimmernde Vorhänge über das Land. Dann regnete es stärker. Der Wind zog die Tropfen in die Länge und schleuderte sie aus immer neuen Richtungen gegen die Krieger, bis Menschen, Drachen und Pferde durchnässt waren. Mit der Dämmerung nahm die Kälte zu. Das Wasser wurde zu matschigen Schneeflocken, die sich am Gras festsetzten wie weißer Schorf.
Als es dunkel wurde, schlugen sie selbst genähte oder getauschte Zelte auf. Alasar verbot, Feuer zu machen, da Spione sie entdecken könnten, nur in seinem eigenen Zelt zündete er eine Talgkerze an. Im schwachen Licht schimmerte der wässrige Schnee vor der Zeltöffnung wie herabrieselndes Silber. Donner grollte.
Tivam trat ins Zelt. Tropfen perlten von seinem dichten Haar und dem Wolfsfell, das er um die Schultern trug. »Du wolltest mich sehen?«
Alasar wies auf den Boden. Tivam setzte sich mit gekreuzten Beinen vor ihn. Die Kerze flackerte in ihrer Mitte, daneben stand eine Schale mit Hammelfleisch. Alasar schob sich ein Fleischstück in den Mund. Tivam griff ebenfalls zu. Sie kauten schweigend, während der Schneeregen auf die Zeltplane klopfte. Ein plötzlicher Windzug blähte die Wände auf, wütendes Rauschen erfüllte das Zelt, doch im nächsten Augenblick verschwand es wieder und der Stoff glättete sich wie von Geisterhand.
»Wo ist Igola?«, fragte Alasar.
»Sie ist in den Höhlen geblieben.«
»Besser so.« Alasar schluckte hinunter. Er beobachtete Tivam. Sein kindliches Gesicht wirkte alt, fast versteinert. Alasar spürte, wie seine Achtung vor dem Jungen wuchs. Trotz seiner Jugend besaß Tivam die Gabe, persönlichen Schmerz für ein größeres Ziel beiseitezuschieben.
»Ich möchte, dass du bei mir bist, wenn wir kämpfen. Du konntest ausgesprochen geschickt fliegen. Für das Manöver mit den Belagerungstürmen habe ich junge Krieger ausgewählt, die leicht sind und besonders kräftige Drachen zu fliegen bekommen. Ihre Aufgabe ist die schwierigste und wichtigste. Willst du mitmachen?« Tivam nickte. Erneut grollte Donner in der Ferne. Alasar griff nach dem
Weitere Kostenlose Bücher