Das Drachentor
gewesen. Dankbar tauschte Revyn die Kleider der Höhlenkinder gegen eine saubere Hose, eine weiche dunkelblaue Tunika mit Borten an den Schultern und einen ledernen Harnisch, der nach Elfenart geschnitten war. Dann schöpfte er mit einer Schale die Suppe aus dem Kessel, setzte sich und aß.
Als Yelanah erwachte, lief er zu ihr. Inzwischen durchdrang helles Tageslicht die Laubwände und vergoldete den Staub, der in der Luft tanzte. »Yelan!«
»Revyn? Oh, asyn bihur aláy! Bist du es wirklich?« Sie fielen sich in die Arme. Revyn war, als hätten sie sich Jahre nicht mehr gesehen, und es kribbelte ihn überall unter der Haut.
»Hat Khaleios dich gefunden? Wo warst du nur die ganze Zeit?!« Sie starrte ihm ins Gesicht. Mit zitternder Stimme sagte sie: »Du siehst furchtbar aus. Wer hat dir das angetan?«
Revyn fühlte sich nicht in der Lage, auch nur einen Satz zu erzählen. Stattdessen fragte er: »Wie bist du hergekommen?«
»Ich habe dich gesucht. Zwei Wochen lang bin ich durch Myrdhan geirrt … dann hat Khaleios mich gefunden und zurückgebracht. Ich schätze, manche seiner Visionen sind doch hilfreich.«
Revyn spürte, wie ihm ein Kloß in den Hals stieg. »Wieso hast du das getan? Dir hätte wer weiß was zustoßen können.«
»Wir halten zusammen, ganz egal was passiert! Das haben wir uns doch geschworen.« Revyn schwieg. Wenn er jetzt zu sprechen versuchte, das wusste er, würde er piepsiger klingen als eine Fledermaus. Stattdessen tastete er nach Yelanahs Hand. Seine Finger benahmen sich so unsäglich tollpatschig, dass ihm das Blut in die Wangen schoss.
Yelanah bedachte ihn mit einem lächelnden Blick. »Du bist ganz rot, Revyn?«
Er schluckte hörbar. »Kann sein. Ist öfter so in letzter Zeit.«
Yelanahs Finger drückten seine. So saßen sie sich gegenüber, lächelnd und an den Händen haltend. Revyn war sich noch nie einer Berührung so bewusst gewesen.
Hin und wieder drangen das Lachen von Kindern, eine verschwommene Melodie oder Stimmengewirr zu ihnen herein, ansonsten herrschte Ruhe, als wäre die Zeit stehen geblieben. Yelanah schöpfte sich die inzwischen kalte Suppe aus dem Kessel. Revyn beobachtete, wie sie die Schale in einem Zug austrank. Die Lichter malten ihr tanzende Ringelmuster auf Gesicht, Hals und Schultern. Sie so zu sehen erinnerte Revyn plötzlich an etwas - einen Traum, den er vor langer Zeit einmal gehabt hatte -, und der ganze Augenblick kam ihm merkwürdig vertraut vor. Er spürte, wie das Glücksgefühl, sie wiedergefunden zu haben, einem anderen, schwereren Empfinden wich. Er musste es ihr sagen. Endlich.
»Ich habe dir noch nicht gesagt, wo ich so lange war. Und was passiert ist.«
Sie legte ihre Schale in den Kessel und ließ sich mit großen, ängstlichen Augen neben ihn sinken. »Was ist dir zugestoßen?«
Revyn konnte ihre Besorgnis um ihn kaum ertragen. »Schlimmer ist … ich wurde gezwungen … ich habe die Dar’ hana …«
Sie furchte die Stirn. »Was?«
»Wann hast du die Nebelwelt verlassen? Es ist viel passiert seitdem. Die Dar’hana - so viele wurden gefangen. Ganze Stämme sind in Gefangenschaft geraten. Die Xhan zum Beispiel. Alle. Nur ihr Stammesführer ist tot.«
»Hijuia ist tot?« Yelanah war bestürzt. »Woher weißt du das?«
»Ich habe die Dar’hana überredet, sich den Menschen zu unterwerfen. Man hat mir versprochen, dass man mich freilassen würde - da wollte ich dich finden und mit dir zusammen die gefangenen Drachen befreien. Sie warten. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.« Yelanah sagte nichts, bis Revyn schließlich aufblickte. Er konnte nichts aus ihrem Gesicht lesen.
»Habe ich das Falsche getan?«, flüsterte er. Schuldgefühle knoteten ihm den Magen zu. »Ich bin so ein Feigling. Ich hätte nicht nachgeben dürfen, ich hätte … nur weil ich die Drachen gezähmt habe, hat Alasar immer mehr und mehr gefangen.«
»Alasar? Octaris hat doch von diesem Namen gesprochen. Er hat gesagt, dass …«
Revyn starrte auf seine schmutzigen und eingerissenen Fingernägel und ballte die Fäuste. »Ich wollte die Drachen nicht zähmen. Aber in der Dunkelheit … da habe ich alles verloren. Ich war nichts mehr. Sie haben mich nur einmal zusammengeschlagen und ich habe aufgegeben. Ich hätte alles getan, nur damit es aufhört! Ich habe nur noch an mich gedacht, Yelan. Vielleicht war das die Prophezeiung. Octaris hat gesehen, wie feige ich bin. Ich hatte die Wahl, verstehst du: Ich hätte sterben können und die Drachen wären nie in
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