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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Hinter dem Stadttor kamen ihnen Generäle des Königs entgegen.
    »Was macht ihr hier? Woher kommen diese Männer und Frauen?«, fragten sie verwirrt. Alasar wusste nicht, ob die Generäle in König Morgwyns Plan eingeweiht waren und gehofft hatten, dass er in Thebal starb. Es interessierte ihn auch nicht wirklich. Er ließ die Generäle von seinen Kriegern umzingeln und töten.
    Die Soldaten hatten sich beim großen Eisenwerk der Stadt niedergelassen und ahnten nichts vom Schicksal ihrer Generäle, bis Alasar und seine Krieger auftauchten. Erst jubelten die Männer, denn sie glaubten, der König hätte ihnen Verstärkung aus Isdad geschickt.
    »König Morgwyn«, rief Alasar, als die Soldaten um ihn versammelt waren, »ist tot! Er überließ mir seinen Thron. Doch ich habe abgelehnt. Denn nur, wenn ich diesen Krieg bestehe, erst wenn ich Myrdhan zum Sieg geführt habe und das Blut der Haradonen die Schande von unserem Boden gewaschen hat - erst dann, Männer, will ich euer König sein! Folgt mir zum Sieg! Folgt mir in die Freiheit! Und für eure Treue bekommt ihr unsterblichen Ruhm.«
     
    Kytenas Eisenwerk hatte in den vergangenen Tagen mehr Waffen produziert als im letzten halben Jahr. Ohne Unterlass brannten die Feuer, wurde das Eisen geschmolzen, in Form gegossen, bearbeitet - der Boden grollte und eine dicke schwarze Rauchwolke hing über den Dächern der Stadt. Als Alasar die Waffenkammern betrat, fühlte er, wie sein Herz schneller schlug. Nie im Leben hatte er so viele Schwerter, Lanzen, Pfeile, Äxte und Beile gesehen. Er glitt durch die Reihen der Waffen und stellte sich vor, jede würde bald in einer Hand liegen, die für ihn kämpfte. Er fühlte sich, als würde er über sich selbst hinauswachsen, und empfand eine merkwürdige Ehrfurcht vor dem Höheren in sich selbst, das bereits so viel bewirkt hatte.
    »Eins versteh ich nicht«, sagte Jasicur, der ihn begleitete, und blickte beeindruckt an den Regalen empor. »Wieso wolltest du nicht König von Myrdhan werden?«
    »Ich will nicht der König eines Landes sein«, murmelte Alasar und nahm ein Doppelschwert vom Wandhaken. Einen Augenblick hielt er die Klinge empor. Sein Gesicht spiegelte sich darin. Wie lange hatte er sich nicht mehr selbst gesehen! Seine Haut war in der Sonne gebräunt, Bartstoppeln übersäten seine Wangen und sein Kinn. Er sah viel älter aus. »Ich will, dass es keine Länder mehr gibt. Ihre Namen sollen mit ihren alten Königen untergehen und vergessen werden. Dann kann mir niemand meine Macht wegnehmen, denn mein Name ist nicht König von Myrdhan, nicht König von Haradon; mein Name ist Herrscher. Wer kann mir schon Krieg erklären, wenn es kein Land gibt, sondern nur Menschen - Menschen, die dem Herrscher gehorchen?« Alasar hängte das Schwert zurück und ging weiter. Jasicur folgte ihm mit einem nachdenklichen Lächeln.
    Zwei Tage später verließen sie Kytena mit sechstausend neuen Kriegern, frischen Nahrungsvorräten und Waffen. In der Stadt blieben gerade genug Soldaten, um sie zu halten; aber Alasar fürchtete nicht, dass die Haradonen sich Kytena zurückholen könnten. Wenn es so weit war, würde Haradon mit anderen Dingen beschäftigt sein.
    Ihr Weg führte sie an neuen Dörfern vorbei und das Heer wuchs weiter. Oft, wenn Alasar in die ängstlichen oder verwirrten Gesichter der Bauern blickte, musste er an seine Eltern und seine beiden Brüder denken und an die Schlacht vor elf Jahren … Wäre damals er der Heerführer gewesen und nicht König Morgwyn, hätte sich vielleicht alles ganz anders entwickelt.
    Einmal begegneten sie in den Weiten des Hügellandes einem Trupp haradonischer Drachenreiter. Der Kampf dauerte nur kurz, kostete Alasar eine Handvoll Krieger und brachte ihm dafür fast zwanzig Drachen ein.
    Bald fiel der erste Schnee. Der Boden gefror und alles Grün verschwand unter einem dünnen weißen Teppich. Jeden Morgen musste Alasar seinen Dolch an einem Feuer wärmen, bevor er die Klinge aus der Scheide ziehen konnte. Dabei dachte er an den ersten Haradonen, den er damit getötet hatte, damals im zerstörten Dorf … Und ob er wollte oder nicht, er dachte an Rahjel. Dachte an den Jungen, der vor ihm gestanden hatte, erschrocken über seine eigene Tat. Er dachte an sein Lachen, hatte es noch warm und klangvoll in den Ohren, und an die dunklen, gutmütigen, schönen Augen. Dachte daran, wie die Augen ihn angestarrt hatten, als der letzte Lebensfunken in ihnen erlosch.
    Dann erreichten sie Thebal. Von fern sahen

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