Das Drachentor
die Haradonen sie entdeckten - aber es gab keine andere Möglichkeit. Holz fand sich zwei Tagereisen weiter im Norden, wo die ersten Wälder angrenzten. Und um dorthin zu gelangen, musste man schließlich das Land durchqueren.
Am Ende beschloss Alasar, dass er das Risiko wagen musste. Er suchte die ältesten und stärksten seiner Gefährten aus und nahm auch Rahjel mit, obwohl er jünger und nicht besonders kräftig war. Doch schließlich hatte er Alasar bewiesen, dass es gut war, ihn in der Nähe zu haben, sollte ein Haradone ihren Weg kreuzen.
Gemeinsam bewaffneten sie sich mit Lanzen, Schwertern, Pfeilen und Bögen. Sie warfen graue Wolfspelze über, um sich notfalls als Tiere zwischen den Felsen zu tarnen. Einer der Jungen besaß ein wundersames kleines Messgerät, das sein Vater vor dem Krieg einem Händler abgekauft hatte. Mithilfe einer winzigen Nadel in einer runden Holzschatulle konnte man damit die Himmelsrichtungen bestimmen.
Als Alasar und Magaura abends schlafen gingen, sagte er ihr, dass er fünf Tage fort sein würde. In bestimmten Abständen schmollte, schluchzte, bettelte und schimpfte Magaura, bis Alasar endlich einwilligte, sie mitzunehmen, und sie ihre letzten heißen Tränen an seinen Arm geschmiegt vergoss.
»Du darfst nicht ohne mich gehen«, flüsterte sie noch im Halbschlaf. »Wen habe ich denn ohne dich noch auf der Welt …«
Er atmete tief durch.
Vor Tagesanbruch stand Alasar auf. Er schnallte sich seinen Gürtel mit dem Schwert um und schwang sich den Bogen und einen Köcher mit Pfeilen um die Schulter.
Dann weckte er leise die anderen und warf einen letzten Blick auf Magaura, die friedlich schlief. Er fühlte sich so schwer, als hinge ihm ein Eisenklumpen statt eines Herzens in der Brust. Leise verließ er die Höhlen.
Draußen war die Luft unangenehm kühl. Ihr Atem gefror zu Dunst und Nebel hing über den Hügeln. Es sah aus, als wollte die Welt sich verschleiern.
»Kommt«, sagte Alasar, nachdem sie sich alle um den kleinen Kompass gedrängt hatten und die Richtung sahen, in die sie aufbrechen mussten. Ihr Weg führte durch Felsschluchten, in denen sich das Tauwasser in großen Pfützen sammelte, über frostige Geröllberge und durch sanfte Täler, wo das dichte Gras vor Feuchtigkeit glitzerte. Sie wanderten, bis der Nebel sich auflöste und die Mittagssonne hervorkam. Der Schnee war getaut und hatte einem Meer aus Wildblumen Platz gemacht. Die ganze Welt schien erfüllt von kühlem süßem Frühlingsduft, von rauschendem Gelb und jungem Rot. Selbst Alasar vergaß inmitten der erwachenden Natur seine Angst vor den Haradonen und ließ den Schwertgriff los.
Rahjel lief mit weit ausholenden Schritten neben ihm und bald redeten und lachten die Gefährten laut miteinander. Ihre Blicke schweiften über das weite Land und wanderten immer wieder zum Himmel auf, so als müssten sie sich alles gut einprägen, damit sie lange mit den Erinnerungen auskamen.
»Wo ist eigentlich Magaura, wollte sie nicht mitkommen?«, fragte Rahjel.
Alasar wurde ernst. »Ich nehme doch Magaura nicht mit, wenn wir alle sterben könnten. Außerdem hätte sie uns nur aufgehalten.«
»Sie wird dir böse sein, so wie ich sie kenne. Kaum vorzustellen! Magaura wütend auf ihren Bruder … Ich hätte gewettet, bevor das passiert, wachsen uns Schweineschnauzen.«
Alasar grinste. Dann drehte er sich schwungvoll zu den anderen um und rief, ohne stehen zu bleiben: »Los, beeilt euch! Ihr habt es ja gehört: Wir müssen so schnell sein, dass Magaura gar nicht erst mitkriegt, dass ich weg war. Sonst wächst uns was im Gesicht …« Er warf Rahjel ein Lächeln zu. »Das klingt nach einer neuen Wette, oder?«
Rahjel lachte, rannte Alasar mit den anderen durch das Blütenmeer nach, und sie jauchzten und stießen sich an, als würden ihre schweren Waffen nichts wiegen.
Sie aßen im Gehen ihr Mittagsmahl, und erst als es dunkelte und die Sterne am Himmel aufgingen, machten sie im Schutz eines Felsvorsprungs Rast. Die Gefährten entfachten ein Lagerfeuer und erzählten sich Geschichten und Witze. Alasar schlief erst spätnachts ein.
Bei Sonnenaufgang erwachte Rahjel. Er weckte die anderen und sie machten sich wieder auf den Weg. Der wenige Schlaf ließ sie schweigend wandern, und erst als die Sonne hoch über ihnen stand, wich die Müdigkeit aus ihren blassen Gesichtern. Wie gestern gingen sie ohne Pause bis zum Einbruch der Nacht und in den frühen Dämmerstunden brachen sie wieder auf. Am Nachmittag des dritten
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