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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Tages sahen sie einen schmalen Streifen Wald am Horizont. Ermutigt beschleunigten sie ihren Gang, und noch bevor die Sonne unterging, hatten sie die hohen Bäume erreicht.
    Es roch ganz anders als draußen in der Steppe. Die Luft unter den mächtigen Tannen und verschlungenen Buchen war feucht und schwer, erfüllt vom Duft klebrigen Baumharzes, süßer brauner Erde, dicker Blätter und der ersten weißen Frühlingsknospen.
    Obwohl es bald dunkel wurde, begannen die Gefährten sofort, geeignetes Holz zu suchen. Keiner von ihnen verstand etwas vom Holzfällen, darum wollten sie es nur mit kleineren Bäumen versuchen. Sie fanden im Halbdunkel einen Hang voll Buchen, die ihnen kaum über die Köpfe reichten. Sie nahmen ihre Äxte, Beile und Schwerter und schlugen mehrere Dutzend davon. Danach entfachten sie ein Feuer und im Schein der Flammen entlaubten sie das Holz und schnitten Äste und Zweige ab. Es musste nach Mitternacht sein, als alles zurechtgeschnitten und in kleinen Blöcken aufeinandergestapelt vor ihnen lag.
    Bis zum nächsten Mittag fällten sie noch mehr Buchen, zerteilten sie in Holzscheite und banden alles mit Lederriemen zusammen, sodass jeder gleich viel Holz auf dem Rücken tragen musste. Dann verließen sie den Wald wieder und kehrten in die Hügel zurück.
    Bis jetzt war alles geglückt und das Holz würde mindestens für zwei Monate reichen. Was danach geschah … nein, darüber konnte Alasar sich jetzt noch keine Gedanken machen. Außerdem war bald Sommer und dann musste niemand mehr frieren. Ein paar Tage in Finsternis würden sie ertragen können.
    Die Grillen begannen, in den hohen Gräsern lauter zu zirpen. Die Luft wurde kühler und der Mond ging auf. Silbrig glomm seine Sichel am Himmelszelt, das sich so riesig über den Kindern wölbte, dass ihnen nach der langen Zeit unter der Erde fast schwindlig wurde, wenn sie hinaufsahen. Alasar dachte mit Unbehagen an die Felshöhlen. Ihm war es nicht vergönnt, an der frischen Luft zu leben, durch die Wiesen zu rennen, wie es ihm gerade gefiel. Er musste sich unter der Erde verstecken. Wütend trat er nach den Gräsern und Blumen. In diesem Augenblick erzitterte der Boden unter seinen Füßen.
    »Drachenkrieger!«, stieß Alasar aus, kaum dass die Männer hinter den Hügeln auftauchten. Die Gefährten ließen sich ins Gras fallen und pressten sich auf die feuchte Erde. Waren es die Hufschläge der Drachen oder sein eigenes Herz, das Alasar hämmern hörte? Seine Hände zitterten, kalter Schweiß brach ihm aus. Der Geruch der Blumen war plötzlich unerträglich, nun da er daran dachte, im betäubenden Duft sein Grab zu finden. Eine Ameise krabbelte ihm über den Arm, aber Alasar traute sich nicht, sie wegzuschlagen. Noch eine kam. Und noch eine. Er lag direkt in einem Ameisenhaufen.
    Alasar keuchte. Kamen die Drachenkrieger auf sie zu? Sahen sie die Holzbündel, die auf ihren Rücken aus den Gräsern ragten? Er hob den Kopf, spähte durch das Gras. Da waren die Krieger. Es waren vier Reitertrosse von zwanzig, dreißig Mann. Der vorderste hielt eine goldgelbe Fahne, die im brausenden Wind flatterte. Alasar glaubte das Schnauben der Drachen zu hören, glaubte ihre Wärme zu riechen und die ledernen Sättel, unter denen die Flügel zuckten.
    Die Ameisenbisse brannten auf Alasars Arm. Er spürte, wie sie zu seiner Schulter heraufkrabbelten. Er biss die Zähne zusammen und wagte keinen Blick auf das schwarze Gewimmel, das auf seiner Haut ausgebrochen war. Die Haradonen ritten nah an ihnen vorbei. Zehn Sekunden verstrichen … Dann verschwanden sie hinter den Hügeln. Bald war das Donnern verebbt und die Gefährten umgab nur noch das friedliche Zirpen der Grillen.
    Alasar sprang auf und schlug die kleinen Biester von sich ab. Schwer atmend starrte er auf die rote, pockige Haut.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Rahjel. Seine Stimme klang, als sei er drei Jahre jünger geworden.
    Alasar spannte die Kieferknochen. »Ja. Wir müssen weiter.«
    In beklemmender Stille setzten sie ihren Weg fort. Selbst als es bereits dunkel war, ging Alasar noch geduckt und mit weit aufgerissenen Augen, um die Haradonen zu erspähen, bevor sie ihn entdeckten. Aber es kam niemand mehr.
    Alasar erlaubte diese Nacht keine Pause. Erst als die ersten Lichter im Osten brachen, krochen die Gefährten unter einen Felsen und schliefen vor Erschöpfung augenblicklich ein. Nur Alasar blieb wach. Er nahm sein Taschenmesser und ein Stück Holz und begann zu schnitzen.
    »Was machst du da? Bist

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