Das Drachentor
in die Windgarde aufgenommen wirst. Du musst vier Jahre lang zu den besten Drachenkämpfern gehören, ehe du dich bewerben kannst, um in den Lüften zu reiten. Nur die tapfersten und kühnsten Krieger werden je einen Drachen in die Schlacht fliegen dürfen. Ihre Aufgabe ist zugleich die ehrenvollste und die gefährlichste.«
Inzwischen hatten sie das kleine Tor erreicht, das man für sie geöffnet hatte. Sie ritten unter den Holzsäulen hindurch und machten kurz vor dem Inneren des Gebäudes halt. Männer in schwarzen Uniformen kamen ihnen entgegengelaufen, um die Drachen in Empfang zu nehmen. Palagrin blieb zögernd stehen, und auch Revyn wusste nicht, was er tun sollte. Ein wenig verwirrt musterten die Männer Palagrin, der weder gesattelt war noch Zaumzeug trug.
»Worauf wartest du?«, fragte Meister Morok, der schon von seinem Drachen abgestiegen war. Er übergab einem der Männer die Zügel und zog sich die schwarzen Reithandschuhe aus. »Bist dem Drachen wohl schon auf den Rücken gewachsen?«
Schließlich sprang Revyn zu Boden. Ohne nachzudenken, legte er die Arme um Palagrins Hals. Bitte. Folge den Männern in ihre Ställe und … tu ihnen nichts. Ich werde bei dir bleiben, so wie du
bei mir. Revyn drückte ihn gerade so fest an sich, wie er es wagte. Dann trat er zurück.
»Bitte … legt ihm kein Zaumzeug um«, sagte er mit einem Kloß im Hals. »Er folgt euch auch so zu den Ställen.« Oder auch nicht, wenn er keine Lust hat.
Die jungen Männer sahen ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Doch sie sagten nichts und gingen los, die Drachen mit sich führend. Palagrin folgte ihnen so würdevoll wie ein gefangener König und Revyn seufzte tief. Ob vor Erleichterung oder Bedauern, wusste er selbst nicht recht.
»Revyn.« Meister Morok räusperte sich hinter ihm. »Wenn du nicht vorhast, in den Drachenställen zu schlafen, dann komm jetzt.«
Revyn drehte sich um und folgte den beiden Händlern. Kaum dass sie das Gebäude betreten hatten, kam ein Mann mit großen Schritten auf sie zugeeilt. Seine Haare waren kurz geschoren, sodass man die lange Narbe auf der Kopfhaut sehen konnte. »Seid gegrüßt, Meister Morok. Meister Folchs, guten Abend. Ah, und euer junger Begleiter ist …?«
»Revyn. Er stammt aus einem Drachenfängerdorf oben im Norden, wo wir Männer gesammelt haben«, sagte Meister Morok so feierlich, als hätte er Revyn mit einem Adelstitel vorgestellt.
»Nun, Revyn, ich bin der oberste Kommandant der Reitdrachengarde«, stellte der Mann sich vor. Sein Blick flog zu Meister Morok zurück. »Aber du musst mich nicht so förmlich ansprechen, wenn Meister Morok dich in der Absicht hergeführt hat, die ich vermute. Als Drachenkrieger kannst du mich Korsa nennen.« Revyn beäugte ihn misstrauisch. Wie ein großer Soldat oder Krieger sah Korsa nicht aus. Er hatte ein offenes, wenn auch etwas grobes Gesicht und wirkte freundlich.
Meister Morok erzählte ihm, er habe Revyn hergebracht, damit er in die Drachengarde aufgenommen werde. »Ich sehe Begabung in dem Jungen, und du weißt, mein Blick ist scharf wie der eines Falken. Ich bin mir sicher, dass der Junge es weit bringen kann.«
Korsas Blick wanderte abwechselnd zwischen Meister Morok und Revyn hin und her. Schließlich fragte er: »Wie alt bist du?«
»Fünfzehn. Glaub ich«, antwortete Revyn.
Korsa runzelte kaum merklich die Stirn. »Irgendwas in deinem Gesicht lässt dich älter erscheinen.« Er legte den Kopf schief, um Revyn in die Augen zu schauen. »Wieso stehst du so da, Revyn? Als wärst du ein Angeklagter vor dem Richter.«
Revyn erwiderte Korsas forschenden Blick. Eine Weile sahen sie sich schweigend an. Dann lächelte Korsa verwundert. »Es gibt einige unter uns, die in deinem Alter sind. Sie gehören übrigens zu den Besten. Komm, ich zeige dir eine Kammer, in der du schlafen kannst.«
Der Händler machte keinerlei Anstalten, ihnen zu folgen, als Korsa auf einen langen Gang zusteuerte. Revyn drehte sich um und bemerkte, dass Meister Folchs schon verschwunden war. Wo war der Händler hin? Hatte er sich verabschiedet? Ein rätselhaftes Schmunzeln lag auf Meister Moroks Gesicht. »Ich warte in deinem Zimmer auf dich, Korsa. Wir haben noch einiges zu besprechen.«
Korsa nickte, und als der Händler sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung davonspazierte, wies Korsa wieder in den Flur vor sich. »Als Drachenkrieger steht jedem von uns eine eigene Kammer im Rathaus zu, und bevor du fragst, das hier ist das berühmte
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