Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
Luft gebraucht …«
In einem unterirdischen Gang, tief in den Eingeweiden eines Krankenhauses.
Sie drehte sich um, sodass ich ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. »Vielleicht bin ich ja allergisch gegen Formaldehyd oder so.«
Ja. Das war es bestimmt. »Wir machen jetzt Mittagspause. Das Essen ist ziemlich grauenhaft, aber es gibt noch eine private Kantine für die Ärzte und leitenden Angestellten, da kann Twining uns einschleusen.«
»Okay. Prima.«
»Das war Ihre erste Obduktion, nicht wahr?« Ich ging um sie herum, um ihr Gesicht sehen zu können … und erstarrte. Ein Augenpaar funkelte im Halbdunkel unter einer ausgebrannten Lampe, in ungefähr zehn Metern Entfernung. Die Rattenfängerin war zurück – sie stand einfach nur da und beobachtete Dr. McDonald.
»Arme Lauren … Er lässt dich da sitzen, bis dein Geburtstag da ist – drei Tage an einen Stuhl gefesselt; lässt dich darauf warten, dass die Tortur beginnt – können Sie sich vorstellen, wie einsam und verlassen man sich da vorkommen muss, welche Ängste man aussteht –, und sie war erst zwölf …« Sie schniefte wieder, wischte sich mit der Hand über die Nase. »Na ja, am Schluss dann dreizehn.«
Natürlich konnte ich mir das vorstellen. Jeden gottverdammten Tag.
Die Rattenfängerin war wie eine Statue. Stand da. Beobachtete. Starrte. Rührte sich nicht.
Ich ging ein paar Schritte auf sie zu, versuchte meine Stimme möglichst rau klingen zu lassen. »Was glotzen Sie denn so blöd?«
Dr. McDonald fuhr zusammen, dann drehte sie den Kopf, um nachzusehen, wen ich anschrie.
Die Rattenfängerin zuckte nicht mit der Wimper.
»Na los, verpissen Sie sich!«
Nichts.
Und dann endlich machte sie kehrt und spazierte ohne Eile davon, mit ihrem Handwägelchen, das im Dunkeln quietschte und ächzte. Ein kurzes Aufflackern, als sie unter einer noch nicht durchgebrannten Leuchte vorbeikam und das graue Haar um ihren Kopf einen Moment lang strahlte wie ein schmutziger Heiligenschein. Und dann war sie weg.
»Schräger Vogel.« Ich legte Dr. McDonald die Hand auf die Schulter. »Sind Sie sicher, dass Ihnen nichts fehlt?«
Ein zaghaftes Nicken. »Tut mir leid.« Sie wischte sich wieder die Augen. »Ich stelle mich bloß an.«
»Wenn wir die Fähre erwischen wollen, sollten wir hier gegen … halb fünf losfahren. Spätestens um fünf.«
»Ich meine, ich war schon bei Obduktionen dabei, aber es ist immer dasselbe: Ich bringe so viel Zeit damit zu, mich in die Mörder einzufühlen … Ich muss dastehen und so tun, als wäre ich er, muss mir vorstellen, wie es wäre, was für ein gutes Gefühl es wäre, all diese entsetzlichen Dinge zu tun.« Wieder ein Schniefen. »Und dann ist es vorbei, und ich kann einfach nicht anders …« Sie starrte auf den Boden.
»Sie müssen nicht bis zum Ende dabeibleiben. Gehen Sie zurück zu Ihrer Tante, legen Sie die Füße hoch, und machen Sie sich eine Flasche Wein auf. Ich hole Sie dann ab, wenn wir hier fertig sind.«
Dr. McDonald schüttelte den Kopf, und die dunkelbraunen Locken flogen ihr in das verquollene Gesicht. »Ich kann die Mädchen nicht im Stich lassen.«
»Nach unserer Kenntnis jedenfalls.« Ich lehnte mich auf dem knarzenden Plastikstuhl zurück.
Dickies Bild auf dem Laptop-Display nickte. » In Ordnung. Wir brechen morgen früh hier auf und dürften irgendwann am Nachmittag bei Ihnen sein. «
DCI Weber trommelte mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch. »Sie wollen hier antanzen und meine Ermittlung an sich reißen?«
Webers Büro war eines der besseren im Gebäude – ein Eckzimmer mit großen Fenstern und Blick auf das mit Brettern vernagelte Kino gegenüber.
Dr. McDonalds Laptop stand auf Webers Schreibtisch, so dass wir alle den Monitor sehen konnten und die Webcam uns. Aber sie schaute aus dem Fenster, einen Arm um die Brust geschlungen, während die andere Hand mit ihren Haaren spielte.
Dickie seufzte. » Nun seien Sie doch nicht so, Gregor, Sie wissen doch, wie es läuft. Egal, was der Gratulator anstellt, ich muss es am Ende ausbaden, ob es mir passt oder nicht. « Er runzelte die Stirn. » Hab ich Ihnen schon von meinem Magengeschwür erzählt? «
»Ihr Magengeschwür interessiert mich nicht, ich habe –«
» Wie wär’s mit folgendem Vorschlag: Wenn wir einen Er folg vorweisen können, sitzen Sie bei der Pressekonferenz neben mir: Sie heimsen die Hälfte des Verdiensts ein, unsere zwölfjährigen Mädchen müssen nicht mehr befürchten, von einem kranken Mistkerl zu Tode
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