Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
die Flüssigkeit aus und seufzte. Der unverwechselbare scharfe Geruch von Whisky stieg mir in die Nase. »Ash, ich hab dich ja auch vermisst wie ein amputiertes Bein, aber ich hab trotzdem den Verdacht, dass du was von mir willst …« Seine Augen verengten sich. Und schlossen sich ganz. Er ließ die Schultern hängen. »Aber natürlich. Entschuldige bitte. Rebeccas Geburtstag war am Montag, nicht wahr? Ich wollte anrufen, aber …«
»Ist schon okay.«
»Nein, ist es nicht.« Er klapperte ein paarmal mit seinen dritten Zähnen. »Ich war zwar früher Psychologe, aber ich bin trotzdem kein Idiot.« Er nahm die Flasche Bell ’ s vom Bett und schlappte in Richtung Küche. »Setz schon mal Wasser auf, ich muss meiner Prostata gut zureden, damit sie mich zur Abwechslung mal wieder richtig ausgiebig pissen lässt.«
Als er von der Toilette zurückkam, hatte ich schon vier Becher mit Kaffee auf die staubige Frühstückstheke gestellt und die große Kochplatte des Gasherds voll aufgedreht, damit es wenigstens ein bisschen warm wurde.
Henry blieb abrupt an der Tür stehen und starrte Dr. McDonald stirnrunzelnd an. »Wer ist das denn? Ich dachte, du …« Er rümpfte die Nase. »Und was ist das für ein Heidenlärm?«
Durch die Küchenwand drangen die Klänge von Bohemian Rhapsody . Royce pfiff im Wohnzimmer fröhlich vor sich hin. Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, er solle damit aufhören.
»Dr. Forrester – Dr. McDonald. Dr. McDonald neigt zum unkontrollierten Plappern, und ihre Katerfürze stinken noch übler als deine, Henry.«
Die Röte schoss ihr in die Wangen. »Er ist nicht gerade … Es ist … Das ist ganz und gar nicht der erste Eindruck, den ich machen möchte, ich meine, wir sind den weiten Weg hier raufgekommen, und jetzt denken Sie, ich bin eine Säuferin oder so, wo ich doch nur versucht habe, meine normalen Denkmuster zu enthemmen, um den Fall aus der Perspektive des Täters analysieren zu können.«
Henry zog eine Augenbraue hoch. »Also, Sie sind ja wirklich … herrlich schrullig.« Er hievte sich auf einen der Barhocker. »Wie kommst du darauf, dass ich einen Kater habe?«
Ich schob ihm einen Becher schwarzen Kaffee hin. »Du hast keine Milch im Haus.«
Seine Hände zitterten, als er den Becher nahm und schlürfend trank. Dann kippte er einen Schuss Bell ’ s hinein, wobei der Flaschenhals klirrend gegen den Becherrand stieß. »Bevor du irgendwas sagst – es ist das Fluvoxamin, das hindert den Körper daran, das Koffein richtig abzubauen, und dann kriegt man das Zittern. Und außerdem bist du nicht meine Mutter. Ich bin zweiundsiebzig, ich kann trinken, was ich will und wann ich will.«
Noch ein schlürfender Schluck, dann noch ein Schuss Whisky.
»Was ist denn mit deinen Fenstern passiert?«
Henry spähte mit zusammengekniffenen Augen über den Rand seines Bechers hinweg. »Sagen Sie mal, Dr. McDonald, lassen Sie sich immer volllaufen, wenn Sie an einem Täterprofil arbeiten?«
Sie zog einen Hocker heraus und setzte sich ihm gegenüber. »Also, eigentlich heißt das bei uns jetzt ›verhaltensbasierte Fallanalyse‹, das kommt nur von den ganzen Fernsehserien, die die Leute alle gucken, wo einer vom FBI daherkommt und ein Profil erstellt, und es passt haargenau, und sie erwischen den Serientäter jedes Mal, und –«
»Trinken Sie jetzt oder nicht?«
Sie schluckte. »Manchmal … hilft es, die Dinge etwas aufzulockern.«
Er nickte und goss ihr die Hälfte des restlichen Bell ’ s in den Kaffee. »Das hier ist kein privater Besuch, Sie sind hier wegen eines Falls. Und da Sie mit DI Henderson gekommen sind, nehme ich mal an, dass es um den Gratulator geht. Wir haben bei ein paar Vergewaltigungsfällen zusammengearbeitet, aber … soviel ich weiß, sind die Täter beide im Gefängnis gestorben?«
Die Wärme strömte durch die Becherwand in meine schmerzenden Finger. »Crouch wurde in Barlinnie abgestochen, Chambers hat eine ganze Flasche Bleichmittel gesoffen.«
»Es ist also der Gratulator.« Wieder ein Schluck, und als er diesmal die Whiskyflasche wieder abstellte, war sie leer. »Da kann ich euch nicht helfen.«
Es klopfte an der Tür, und Royce steckte den Kopf zur Küche herein. »Ich habe alles fotografiert und auf Fingerabdrücke untersucht; Sie können also aufräumen, wenn Sie mögen. Aber passen Sie auf, es ist alles voller Glasscherben und Hundescheiße …« Er grinste mich an. »Könnt’ ich vielleicht auch ’nen Kaffee kriegen? Bin schon ganz
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