Das dritte Ohr
Korporationen, bis sie ein solches Weltprestige erlangen, daß sie als Macht für menschliches Wohlergehen und Weltordnung wirken kann.“
Er dachte an 232, und ich fragte mich, wann er wohl zur Sache kommen würde. Ich kannte den Internationalismus der Industrie, der einzigen Macht ohne Grenzlinien. Bauer glaubte an einen korporativen Altruismus, den gemeinsame Interessen schaffen würde; seine Beweisführung entbehrte nicht der Logik.
Ich sah Burns und Laqueur an, um ihre Reaktionen festzustellen. Burns dachte an ein riesiges Schloß, dessen normannische Türme in einem dichten Wald uralter Bäume verborgen waren, zwischen dessen bunten Blumenbeeten jene junge Frau wie durch einen Traum ging. Sie trug einen Bikini, ihre Haut glänzte verführerisch. Er besaß zwar dieses Schloß – aber er besaß nicht sie.
Laqueurs Gedanken wanderten schnell; Bilder von Fabrikkomplexen überschnitten sich. Er sah sich ganz allein in einem großen Raum, durch dessen breite Fenster er die ausgedehnten Gebäude überblickte. Er malte sich aus, daß er der Herr dieser gigantischen Industrieanlagen sein würde.
„Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen“, sagte ich zu Bauer. „Aber würde eine multinationale Korporation, die die internationale Produktion kontrollierte, nicht ein unwiderstehliches Instrument privater Wirtschaftsmacht in den Händen einiger Weniger darstellen? Es könnte zu einem Spätimperialismus ausarten.“
„Nein – es verheißt die Einigung der Menschheit im Dienste gemeinsamer Ideale“, warf Laqueur ein. Er sah sich selbst an der Spitze dieser Weltmacht.
„Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler“, erwiderte ich, um Bauer zu zwingen, mir den Grund meiner Einladung zu nennen. „Ich kann, außer auf meinem Gebiet, der Psychobiochemie, mit Ihnen über keine Hypothese vernünftig argumentieren. Welche Anwendung finden meine Forschungen bei Ihren Ideen?“
„Schon jetzt umfaßt unsere Vereinigung fast sämtliche großen Korporationen der Welt“, sagte Burns mit trockener Stimme. „Wir entwickeln uns zu einer Weltkorporation, die auch China und die Sowjetunion umfassen wird.“ Ihm war es egal, ob Laqueur oder irgendein anderer die Leitung hatte, solange er die Macht besaß, die Gedanken jener jungen Frau zu lesen. Er war von ihr besessen.
„Die multinationale korporative Wirtschaft setzt sich bereits in den Ländern Osteuropas wirkungsvoller durch als das Gerede über die Abrüstung. Die Sowjets nennen es industrielle Zusammenarbeit – mich läßt es kalt, welche Bezeichnung sie sich ausdenken, um unsere Ideen in ihr System einzubauen. Wenn ihre industrielle, landwirtschaftliche, chemische und Bergbauleistung in den allgemeinen Plan paßt, machen wir mit, und Ideologien werden zu einem Thema der Philosophie und nicht des Haders.“
Ich hatte jahrelang mit Leuten zusammengearbeitet, die einen vernünftigen Eindruck machten, aber nur die Maske des gesunden Menschenverstandes trugen. Er sprach beredt und überzeugend, so daß ich begriff, warum er der Kopf eines mächtigen Konzerns war.
„Internationale Handelsschranken werden abgeschafft, so daß die Welt einen einheitlichen Lebensstandard erhält“, sagte Laqueur; er führte einen unwiderlegbaren Altruismus gegen mich ins Feld. „In Europa haben wir dieses Ziel fast schon erreicht. Man reist von Land zu Land, ohne sein Gepäck zur Zollkontrolle öffnen zu müssen. Eine Föderation liegt in unmittelbarer Reichweite. Wenn wir diese Sicherheit auf die restliche Welt ausdehnen können, darf jedes Land der Zukunft zuversichtlich entgegensehen. Lassen Sie es mich ganz banal ausdrücken – obwohl der Mensch ein Raubtier ist, wäre der Krieg sinnlos, weil er keinerlei nationale Vorteile mehr mit sich brächte.“
Ich betrachtete den Kasten, in dem der Dudelsack mit seinen dunklen Pfeifen, seinem in sich zusammengesunkenen Blasebalg aus Schafsleder und seinen bunten Zierbändern lag. Bei all seinen grandiosen Ideen hatte sich Bauer eine Welt geschaffen, die in einen Holzkasten paßte.
„Fragen Sie sich immer noch, warum wir Sie gebeten haben, sich Ideen anzuhören, von denen wir glauben, daß sie die einzige Lösung sind, wahnwitzigen Spannungen und revolutionären Umsturzbewegungen Einhalt zu gebieten, die unsere jetzige Welt zerstören wollen? – Ich will Ihnen sagen, warum wir Sie nötig haben“, sagte Bauer. „Wir trauen einander nicht!“
Ich starrte ihn an, als hätte ich nicht richtig gehört, aber was er sagte, entsprach der Wahrheit. Er
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