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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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Nachglanz der soeben genossenen Freude und verlieh ihm ein kindliches Aussehen. „Während wir auf Sie warteten, habe ich meine Gäste etwas unterhalten. Das heißt, wenn das Spielen eines Dudelsacks für die Zuhörer ebenso unterhaltsam ist wie für den Bläser!“
    Gobel war ausgesandt worden, um mich zu diesem Haus zu bringen. Wie überzeugt mußte Bauer von seiner Tüchtigkeit gewesen sein, daß er dieses Empfangskomittee versammelt hatte!
    „Das sind Mr. Burns und Monsieur Laqueur.“ Er wandte sich den beiden Männern zu, ohne Gobel zu beachten. Die Männer nickten, musterten mich und verglichen ihre ersten Eindrücke mit der Beschreibung, die Bauer ihnen gegeben hatte. Burns hatte die dichten Brauen und die scharfen römischen Züge eines Bewohners der britischen Inseln. Laqueur war schlank, seine Haut olivgetönt, wie die eines Algerienfranzosen.
    Ich sah Burns an und ein jäher Schock verursachte eisige Kälte in meiner Brust. Mir stockte der Atem.
    Er wußte von meinen Experimenten mit 232! Hastig wandte ich mich Laqueur zu. Auch er dachte das Gleiche wie Burns. Das Wirrwarr ihrer Gedanken klärte sich in meinem Geist; sie ahnten, daß ich wußte, was sie dachten!
    Sie hatten meinen Schock bemerkt. Laqueur hegte Zweifel, war ungläubig. Obwohl Bauer ihn eingehend informiert hatte, war die Möglichkeit, die Fähigkeit des Gedankenlesens auf chemischem Wege hervorzurufen, für ihn immer noch unglaublich.
    Burns hingegen war von dieser Möglichkeit überzeugt. Er wollte daran glauben. Während er mich intensiv beobachtete, zuckten Visionen durch seinen Geist: er sah sich selbst in einem großen, getäfelten Raum, in dem ungefähr zwanzig Personen an einem runden Tisch saßen. Gesichter huschten an mir vorbei.
    Ich hatte Angst, mich auf die beiden Männer zu konzentrieren, ehe ich mein Gleichgewicht wiedergewonnen hatte. Sie hatten von meinen Forschungen gehört, waren aber bisher nicht sicher, ob ich auch Erfolg gehabt hatte. Ich mußte meine Handlungen tarnen, sie in die Irre führen.
    „Gobel sagte mir, daß Sie mich zu sprechen wünschen, Herr Professor“, sagte ich und wandte mich – äußerlich gelassen – Bauer zu.
    „Gobel? – Nennt er sich diesmal so?“ erwiderte Bauer lachend. Auch er dachte an 232, aber da er sich nicht sicher war, ob ich Erfolg damit gehabt hatte, vermied er sorgfältig jede Anspielung darauf. Er wandte sich seiner Frau zu, die stumm und schmerzgeplagt darauf wartete, sich verabschieden zu können.
    „Vermutlich möchte Herr Gobel zu Abend essen, Bertha. Könntest du bitte für ihn sorgen?“
    Er hatte vergessen uns vorzustellen. Er hatte nur mich und seine Mission im Sinn, die mir noch unbekannt war. Er dachte in kurzen Phasen, wie ich bei meiner Laboratoriumsarbeit; sein Ziel war noch verborgen.
    Die Dame des Hauses ging mit Gobel hinaus. „Möchten Sie etwas trinken?“ fragte Bauer mit einer vagen Geste zu einem mit Flaschen gefüllten Servierwagen hin. Als ich ablehnte, rückte er einen Sessel dicht an mich heran, als würde seine Nähe seinen Worten noch mehr Nachdruck verleihen. „Sie sind im Interesse des Weltfriedens hier“, sagte er.
    Ich hatte alles andere erwartet, als eine derartig unverbindliche Feststellung, aber das war sein einziger Gedanke. Ich warf Burns einen Blick zu, der sich eben ausmalte, selbst die Gedanken anderer Menschen entziffern zu können. Seine Gedankentätigkeit war eine Kavalkade von Impressionen, eine wirre Folge von Gesichtern, die mit dem klaren Bild einer außerordentlich schönen jungen Frau endete. Wenn er ihre Gedanken lesen könnte … Sie schaute ihn unentwegt an, so wie man ein Foto geistesabwesend anstarrt. Er riß sich von dem Gedanken an sie los und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich.
    Laqueurs Reaktion konnte ich nicht begreifen. Sein Verstand fixierte eine unermeßliche, schneebedeckte Ebene, eine düstere Fabrik mit Schornsteinen und eine Stadt im Hintergrund. Eine riesige Mitternachtssonne lag über dem Horizont.
    „Ich interessiere mich nicht für Politik“, sagte ich zu Bauer. „Nach den Veröffentlichungen zu urteilen, interessieren Sie sich aber für die Zukunft des menschlichen Daseins“, warf Laqueur ein. Seine Abneigung gegen mich beruhte auf einer vagen Angst. Er wollte etwas kaufen, das einen großen Wert zu haben schien, aber er wußte nicht, wie er an mich herantreten sollte. Wenn es sich um eine Geldangelegenheit gehandelt hätte, so hätte er gewußt, was er tun müßte. Ich verwirrte

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