Das Dunkel der Lagune
brachte das Kanu zum Kentern.
Hagen fiel der Karabiner aus der Hand. Nach Atem ringend, stinkendes, morastiges Wasser ausspuckend, kam er wieder an die Oberfläche. Er sah Masons blasses, blutverschmiertes Gesicht und schwamm auf ihn zu, doch bevor er ihn erreichte, war Mason wieder unter dem grünen Schleim verschwunden.
In diesem Augenblick spürte er, wie ihn der Bug eines Kanus in den Rücken stieß. Er drehte den Kopf und sah mehrere schlitzäugige Gesichter, aber vor allem ein erhobenes Gewehr, dessen Kolben auf ihn zugestoßen wurde. Sein Kopf schien zu explodieren, Dunkelheit umfing ihn, Sterne tanzten vor seinen Augen.
Hagen lag auf der Seite auf dem blanken Erdboden und betrachtete die Stiefel aus halb geöffneten Augen. Sie waren ausgetreten und schmutzig. Nach einer Weile holte einer von ihnen aus und bohrte sich ihm in die Rippen. Hagen stöhnte auf, als ihn der Schmerz wie ein Messer durchfuhr. Heftig atmend beobachtete er, wie die Stiefel den Raum durchquerten, eine Tür aufstießen und verschwanden. Nach einigen Minuten fühlte er sich etwas besser und setzte sich auf.
Er befand sich in der Ecke einer primitiven Hütte mit Lehmwänden und festgestampftem Boden. Es stank fürchterlich. Als er sich genauer umsah, entdeckte er in der entgegengesetzten Ecke ein Häufchen menschlichen Kots und daneben zwei Männer. Hinter ihm in der Wand war ein Riss, durch den Licht von draußen hereinfiel. Mühsam zog Hagen sich hoch und begann damit, seine Verletzungen zu begutachten.
Eine Seite des Kopfes war dick angeschwollen, das Haar mit Blut verklebt. Seine tastende Hand wischte Fliegen von der Wunde. Vorsichtig spannte er die Muskeln an und hob die Arme, unterdrückte ein Stöhnen, als der Stiefeltritt in die Rippen wieder schmerzte. Dann lief er hinüber zu seinen Mitgefangenen. Übelkeit überkam ihn; er schwankte und musste sich an der Wand festhalten, doch nach kurzer Zeit hatte er sich wieder so in der Gewalt, dass er sich niederknien und die beiden Männer betrachten konnte.
Es waren Männer aus dem Dorf, beide tot. So, wie es aussah, hatte man sie fürchterlich zusammengeschlagen und sie hier in der Hütte einfach ihrem Schicksal überlassen. Ein Fliegenschwarm stieg von einer Leiche hoch. Hagen wandte sich ab, weil er sich übergeben musste. Schließlich erhob er sich, wankte hinüber in die Ecke, in der er erwacht war. Die sanitären Verhältnisse zeugten nicht nur von den Zuständen innerhalb des chinesischen Militärs, sondern auch von der Ignoranz der Soldaten. Er brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie die Leichen nach wenigen Stunden in dieser brütenden Hitze aussehen würden. Eine Krankheit könnte sich in Windeseile im Dorf ausbreiten.
Die Tür war nur angelehnt. Anscheinend hatte der Stiefelträger Hagens Zustand falsch eingeschätzt. Hagen stellte sich in den Türrahmen, atmete die vergleichsweise reine Luft ein und blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Das Dorf lag wie ausgestorben in der Nachmittagshitze; vielleicht dreißig Hütten drängten sich auf einer von Sumpf umgebenen Insel zusammen. Eine schäbige Motorbarkasse hatte an einem grob gezimmerten, hölzernen Landungssteg festgemacht. An Deck rührte sich nichts; die rotchinesische Fahne hing schlaff am Mast. Ein Schrei gellte plötzlich durch die Stille, und eine splitternackte junge Chinesin kam aus einer Hütte gerannt. Sie wurde verfolgt von zwei Soldaten. Der eine von ihnen erwischte sie am Handgelenk, wirbelte sie herum und schlug ihr ins Gesicht. Das Mädchen sank zu Boden. Die beiden Soldaten hoben sie grinsend auf und trugen sie zurück in die Hütte.
Hagen war unwillkürlich in das Halbdunkel der Hütte zurückgewichen. Ihm war wieder übel. Einen schrecklichen Augenblick lang hatte er sich vorgestellt, dieses Mädchen sei Rose, und ihn schauderte, als ihm bewusst wurde, dass sich eine solche Szene mit ihr bereits ereignet haben könnte. Einen Moment lang zögerte er, gab sich dann einen Ruck und trat hinaus ins Sonnenlicht. Er hielt inne, sah sich um, überlegte, was er tun sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen durch die aufgeregten Schreie dreier chinesischer Soldaten, die mit schussbereiten Gewehren auf ihn zustürmten.
Bajonettspitzen piekten seinen Körper und drängten ihn in Richtung einer größeren, solider gebauten Hütte, offensichtlich das Heim des Dorfältesten. Hagen zögerte an den fünf, sechs Stufen, die hinauf zur kleinen Veranda
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