Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
ächzen, als er sich darauf fallen ließ.
Als ich meine Zimmertür öffnete, war ich nur froh, dass nichts in Flammen stand. In letzter Zeit war ich wirklich leicht zufriedenzustellen.
20
Mein Gott,
jetzt verführ sie doch endlich
I ch zog mich um und schlüpfte in meine Sportsachen, um wie üblich mein Training in den Gängen zu absolvieren. Nachdem ich den Apfel und die Frühstücksflocken verschlungen hatte (trocken aus der Schachtel wie ein Biest in einem Käfig), warf ich noch kurz einen Blick ins Buch, in das Buch , nur für den Fall, dass es mir noch irgendeine furchteinflößende Information mit auf den Weg geben wollte, fand darin aber keinen neuen Eintrag.
Also stieg ich wieder einmal Sprosse um Sprosse hinunter. So langsam hatte ich mehr Kraft in den Beinen, und die hölzernen Planken waren mir inzwischen vertrauter. Ich kannte jede Rille, die meinen Fingern Platz bot, und meine Füße wussten, wo sie Halt fanden, wenn ich hinabsauste oder wieder hochkroch. Als ich unten ankam, stellte ich meine Stoppuhr ein und rannte im Höchsttempo los. Mein Körper schien den Weg langsam zu lernen, sich die Kurven und geraden Teilstücke einzuprägen. Im Notfall schaffte ich das vielleicht bald auch ohne Taschenlampe.
Ich erreichte die Abzweigung mit dem verfallenen alten Raum und bremste so abrupt, dass ich beinahe gestürzt wäre.
Neben der geheimnisvollen, verschlossenen Tür lehnte dort an den freiliegenden Balken der Wand das beste Stoppschild, das ich mir vorstellen konnte: die Fotos. Das wusste ich sofort, selbst als ich sie noch nicht richtig sehen konnte, weil sie mit einem Tuch aus Samt abgedeckt waren. Unter dem Stoff konnte man die Umrisse von etwas über zwanzig großen und kleinen Rechtecken erkennen. Die Ecke eines Rahmens schaute hervor, lockte und reizte mich. Reflexartig schaute ich über meine Schulter – als würde mich von dort jemand ermahnen, meine Nase nicht in fremde Dinge zu stecken – und hielt langsam darauf zu. Ich griff nach der Abdeckung und zog sie mit einer raschen Bewegung zurück, womit alle Bilder gleichzeitig enthüllt wurden.
Im selben Augenblick schrak ich taumelnd und keuchend zurück.
Ich ließ den Blick über die Geschöpfe wandern, die da zurückstarrten, und nahm diese einzige große Horrorshow in mich auf. Am liebsten hätte ich geschrien, aber der Schock ließ mich verstummen. Ich schüttelte mich und schloss kurz die Augen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber dieser Anblick hatte sich längst in meine Hornhaut eingebrannt. Die Fotos hatten sich in etwas Furchtbares verwandelt: Sie waren nur noch verwestes, sich zersetzendes Fleisch. Diese Bilder schienen aus einer Monstrositätenschau zu stammen statt von den schönsten Menschen, die ich je gesehen hatte.
Ich nahm all meine Kraft zusammen, kroch wieder zu ihnen rüber und ging die Aufnahmen durch, um zu sehen, ob vielleicht einige verschont geblieben waren. Aber nein, jedes einzelne Porträt der Syndikat-Mitglieder hatte sich in etwas Groteskes verwandelt. Das war mehr als nur mutwillige Zerstörung. Es sah aus wie die Abbilder von wahren Monstern. Mir zitterten die Hände, alles bebte. Das Grauen schlich sich in jeden Zentimeter meines Körpers ein. Diese Bilder zeigten mir einst perfekte Menschen voll eitriger Wunden, deren Augen in ihren Höhlen zerflossen. Einige ihrer Gesichtszüge waren blutig oder fehlten völlig, und die fransig amputierten Gliedmaßen schienen von wilden Hunden abgenagt worden zu sein. Manche dieser Wesen sahen fast aus, als hätte man sie durch den Fleischwolf gedreht. Ihr Haar war dünn und spärlich, zum Teil auch überhaupt nicht mehr vorhanden. Stattdessen zeigten sich auf ihren Schädeln Läsionen und knollige Geschwulste in Lila- oder Grüntönen. Ihre Kleidung war zerrissen, in einigen Fällen war sogar der ganze Körper aufgeschlitzt, und die Organe quollen aus den Wunden. An Lucians Innereien tat sich ein rasender Geier gütlich.
Nachdem ich mir die ganze Sammlung angeschaut hatte, in der sich ein Bild gruseliger als das andere zeigte, entdeckte ich ganz hinten schließlich die Porträts von Dante und Lance. Auf Lance’ Bild hatte sich seit dem letzten Mal nichts verändert: Die Narbe an seinem Auge war zu sehen, aber ansonsten war mit dem Foto alles in Ordnung. Wenn überhaupt, dann sah er ein bisschen ätherischer und imposanter aus als am Abend der Gala. Seine Augen funkelten, sie waren friedlich und voller Tiefe, sicher und selbstbewusst hielt er meinem Blick
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