Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
gleich Hals, Lunge und Magen, einfach alles mit.
»Offensichtlich hast du ein Problem mit mir, also rück doch damit raus«, erwiderte Lucian tonlos und streckte jetzt ein Bein aus, um seinen Schuh unter die Lupe zu nehmen. Ihre Laune hätte ihn nicht weniger scheren können.
»Ich verstehe. Jetzt bist du auf einmal gegen mich. Aber ich habe darüber schon mit dem Fürsten gesprochen. Warte nur, bis er herkommt, und dann wirst du ihn auf Knien um eine letzte Chance anflehen.«
»Ich flehe nicht.«
»Das wirst du schon noch. Hast du etwa vergessen, wie er arbeitet? Ich kann dich verbannen lassen, wann immer ich will. Bist du wirklich bereit, nach da unten zurückzukehren? Wir könnten deine Rolle bei der Rekrutierung und der Revolution dramatisch zurückschrauben, dich sogar völlig davon ausschließen.«
»So langsam begreife ich«, sagte er völlig ruhig, fast charmant, und sah sie endlich an. »Hier geht es gar nicht so sehr um meine Leistung, sondern vielmehr um deine Eifersucht.«
Auf einmal wirkte sie verkrampft und spannte die Muskeln im Nacken an.
War das denn möglich? War Aurelia etwa auf mich eifersüchtig? Selbst Lucian musste lachen. »Wie niedlich.«
Aurelia schien ihn jetzt zu ignorieren. Sie stand auf und lehnte sich vorn an den Tisch. Dann deutete sie mit dem Zeigefinger auf den Fußboden und konzentrierte sich. Plötzlich loderte aus dem Nichts eine kleine Flamme auf und begann genau an dieser Stelle zu flackern und brennen. Entsetzen durchfuhr meinen Körper und ließ mich eine ganz neue Dimension der Angst erfahren. Die Striemen auf meiner Brust spürten es auch, sie kribbelten und stachen. Ich strich über die Narben, griff dann nach dem Anhänger an meiner Kette, drehte ihn nervös immer wieder hin und her und spielte daran herum. Mit ausgestrecktem Finger malte Aurelia in der Luft einen unsichtbaren Kreis, und das Feuer folgte der Bewegung, bis auf dem Boden ein niedriger Flammenring flackerte und knisterte. Als sie damit fertig war, starrte sie Lucian an. Sie holte aus wie auf dem Spielfeld und schleuderte ihm eine baseballgroße Feuerkugel entgegen. Er zuckte kaum mit der Wimper und lehnte sich lediglich ein paar Zentimeter zur Seite, um nicht getroffen zu werden. So etwas erlebte er offensichtlich nicht zum ersten Mal. Ein Funke loderte zu seinen Füßen auf, doch er trat ihn einfach aus.
»Normalerweise bist du ja ganz entzückend, wenn du wütend wirst«, erklärte er kühl. »Aber das ist jetzt wirklich unpassend.«
»So lasse ich nicht mit mir reden und schon gar nicht von dir. Ich nehme diese Kränkungen nur hin, weil ich davon ausgehe, dass man dich schon bald in deine Schranken verweist.«
In diesem Moment brausten die Lohen auf, und im Feuerring erschien aus der Dunkelheit heraus der Fürst.
»Störe ich gerade?«, fragte er und blickte von Aurelia zu Lucian und wieder zurück. Seine Stimme war so ruhig und honigsüß, wie man es sich nur vorstellen konnte. Die Flammen brannten jetzt wieder niedriger und erloschen völlig und spurlos, sobald er aus dem Ring getreten war. Der Fürst nahm den Platz hinter Aurelias Schreibtisch ein, so dass sie sich gezwungen sah, sich neben Lucian aufs Sofa zu setzen. Mit vor der Brust verschränkten Armen hockte sie sich auf die Lehne, so weit weg von ihm wie möglich.
»Lucian wollte uns gerade erklären, warum es ihm immer noch nicht gelungen ist, die Seele des Mädchens für uns zu gewinnen«, erläuterte sie. Sie streckte die Hand nach dem Kandelaber auf der Kommode hinter sich aus und entzündete die Dochte mit den Fingerspitzen.
»Oh, gut«, antwortete der Neuankömmling und lehnte sich im Stuhl zurück. Jetzt richtete sich sein stechender Blick auf Lucian. »Dann sprich doch bitte weiter.«
Mit einem Mal veränderte sich Lucians ganzes Wesen. Mit ernster Miene richtete er sich auf der Couch auf, und im Raum schien eine subtile Machtverschiebung stattzufinden. Aurelia stand mit verschränkten Armen auf. Auch der Fürst erhob sich und ging im Raum auf und ab, warf einen Blick auf die Bücher im Regal und sah dann zum Bildschirm hinüber. Ich fragte mich, ob er mich wohl hier hinter der Wand sehen konnte. War ihm klar, dass ich hier stand? Ich hatte mir die Stelle ja von seiner Seite aus angesehen und wusste, dass man mich nicht entdecken konnte, weil die Gucklöcher hinter dem dunklen Rahmen des Monitors lagen. Aber das waren schließlich keine richtigen Menschen, oder? Wer wusste schon, was die alles konnten oder sahen?
»Ja, ich
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