Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
habe Fortschritte gemacht.«
»Ich habe gesehen und gehört, dass du dieser Haven wohl gefällst.« Der Fürst drehte sich zu Lucian um. Der saß kerzengerade, steif und unsicher da. »Und deine Aufgabe ist ja nun wirklich nicht unangenehm.«
»Nein, Sir. Überhaupt nicht. Die Kleine ist … zauberhaft«, sagte er schließlich. Und obwohl ich doch vom Kopf her wusste, dass ich diesen Menschen fürchten und nicht lieben sollte, konnte ich nicht anders: Einen Moment lang schmolz ich dahin, bevor endlich der Verstand einsetzte. Pass gut auf dein Herz auf, Haven. In Wirklichkeit bist du ihm völlig egal.
» Ganz zauberhaft, ohne Zweifel«, meinte der Fürst in verständnisvollem Tonfall. »Aber wir haben hier einiges zu erledigen, und du bist dir sicher dessen bewusst, dass die Zeit drängt.«
»Ja, ich weiß«, antwortete Lucian. Er klang jetzt niedergeschlagen.
»Ich kann davon ausgehen, dass du die Fotos gesehen hast?«
»Ja, habe ich.« Beschämt ließ er den Kopf hängen.
»Ihre seelenerhellenden Kräfte sind längst stärker als erwartet.« Jetzt ging der Fürst wieder auf und ab. Was sollte das überhaupt heißen? »So langsam … mache ich mir Sorgen … über ihre schnellen Fortschritte. Ich weiß, dass es sich nie um eine konstante Entwicklung handelt, und rechne deshalb damit, dass ihr Tempo bald nachlässt, aber es gibt mir trotzdem zu denken.«
Ich musste mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass diese Person, über die sie da sprachen, ja ich war. Was hier in solchem Tempo auf mich einprasselte, konnte ich nicht einmal ansatzweise verarbeiten. Die glaubten also, dass ich diese Fotos irgendwie verändert hatte? Lag das wirklich an Kräften, die ich angeblich hatte, hatte ich die Seelen der Fotografierten zum Vorschein gebracht? Hatte ich das so richtig verstanden? Ich dachte zurück ans Krankenhaus, an die Fotocollage und meine Lieblingspatientin Jenny, die nur meine Bilder von sich mochte. Vielleicht war da ja doch etwas dran. Aber woher hatten diese Leute bloß all diese Kenntnisse über mich, wenn ich es doch nicht einmal selber wusste?
»Ja, äußerst beunruhigend«, bestätigte Lucian mit nervösem Nicken. So unsicher hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich hätte doch eigentlich wütend sein sollen, stattdessen tat er mir leid.
In der Ecke brodelte es bei Aurelia still vor sich hin, bis sie sich schließlich nicht mehr beherrschen konnte. »Mein Gott, jetzt verführ sie doch endlich!«, brach es aus ihr heraus. Lucians Blick fuhr zu ihr herum. Über die Züge des Fürsten huschte das amüsierte Lächeln eines Herrchens, das seinen Tierchen beim Kämpfen zusieht. »Was soll denn daran so schwierig sein«, fauchte Aurelia, »wenn sie dich doch mit diesen riesigen Kulleraugen anstarrt!« Aurelia klimperte demonstrativ mit den Wimpern und rollte dann angewidert mit den Augen. Lucians Ausdruck verhärtete sich, als hätte man ihn über Nacht in den Brennofen gestellt.
»So einfach ist das nicht.« Seine Stimme klang wie ein unterdrücktes Knurren. Er blickte auf seine Hände, die er mehrmals zur Faust schloss und wieder öffnete, um sich zu beruhigen. »Irgendwie widerstrebt ihr das Ganze.«
»Oder vielleicht widerstrebt dir ja auch nur diese Aufgabe«, feuerte sie zurück.
»Es läuft einfach nicht so wie bei den anderen.«
»Natürlich nicht«, warf der Fürst lässig ein und setzte sich wieder auf den Schreibtischstuhl. »Offensichtlich werden sich diese aufkeimenden, unterschwelligen Kräfte zu einer ganz besonderen Macht entwickeln; darum geht es doch gerade. Deshalb wollen wir ja, dass sie für uns und nicht gegen uns arbeitet. Als Gegnerin wäre sie eine Bedrohung, eine echte Gefahr.« Dies erklärte er mit der leichtfertigen Selbstsicherheit eines Menschen, der sich überhaupt nicht bedroht fühlte. Ich ließ mir das durch den Kopf gehen: Ich, eine Bedrohung? Das war ja lächerlich.
»Ich bin mir nicht sicher, ob es möglich ist, sie …«
»Jetzt reicht es mir aber mit deinen Ausreden! Erledige es einfach!«, ging Aurelia auf ihn los.
Dann wandte sie den Blick ab und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Aurelia!«, rügte sie der Fürst.
»Es tut mir leid, mein Gebieter. Aber«, flüsterte sie, »Ihr habt das Bild ja gesehen. Uns läuft die Zeit davon.«
»Lucian.« Der Fürst wandte sich wieder an ihn. »Ich fürchte, Aurelia hat recht. Wenn wir sie nicht bald für uns gewinnen, wird das weder ein gutes noch ein schönes Ende nehmen.«
»Ja, ich weiß. Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher