Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
etablieren, als Vorreiter in den Bereichen Kunst, Gastronomie und Nachtleben. Wir wollen das Schöne und das Gefährliche zelebrieren, denn danach sehnen sich die Menschen. Somit werden wir nicht nur für Besucher von außerhalb, sondern auch für die Einwohner Chicagos eine Anlaufstelle sein. Wir eröffnen schon in einigen Wochen, am 14. Februar, zu Ehren des Valentinstag-Massakers. Ich kann wohl davon ausgehen, dass ihr mit der Geschichte vertraut seid?«
Ich wusste in etwa, dass bei dem Vorfall Mitglieder von Capones Gang Angehörige einer rivalisierenden Bande getötet hatten, war aber viel zu eingeschüchtert, um auf die Frage zu antworten. Vor all diesen Menschen etwas Falsches zu sagen, hätte ich nicht ertragen können. Mit einem Kloß im Hals sah ich meine Mitstreiter an, auf deren Gesichtern der gleiche gequälte Ausdruck lag wie bei mir. Stille. Aurelia blieb schlagartig stehen und drehte sich kopfschüttelnd um. »Du meine Güte«, rügte sie uns. »Ihr solltet eure Kenntnisse über die Geschichte Chicagos wirklich aufpolieren, meine Lämmchen. Immerhin repräsentiert ihr uns jetzt.« Ihre Stimme war eiskalt.
»Ich dachte, das wäre eine rhetorische Frage«, warf Dante ein. Ich hätte beinahe aufgekeucht, riss mich aber gerade noch zusammen und warf ihm einen Blick zu. Ein schwaches Lächeln umspielte Aurelias Lippen, während sie meinen Freund musterte.
»Ihr werdet noch herausfinden, dass es die bei mir eher selten gibt. Ich erteile entweder Anweisungen oder stelle Fragen, auf die ich auch eine Antwort erwarte.« Diese Worte kamen in süßem Tonfall, was ihnen ein wenig von ihrer Schärfe nahm. Das Syndikat stand die ganze Zeit schweigend und reglos da und umfing uns wie die Figuren einer Scherenschnittgirlande. Aurelia marschierte weiter.
»Jeder von euch bekommt einen Mentor, der euch eure Aufgaben zuteilt. Diese Projekte sind, sofern möglich, auf eure persönlichen Interessen und Talente zugeschnitten. Lance …« – er zuckte bei der Erwähnung seines Namens zusammen – »… du wirst Lucian zur Hand gehen und verschiedene Alltagstätigkeiten für ihn übernehmen. Man wird dir einen Teil der Verantwortung fürs Management übertragen, und du wirst dich um verschiedene Projekte innerhalb unserer Einrichtungen – dem Nachtclub, der Galerie und der Bibliothek – kümmern.«
»Danke«, sagte Lance schüchtern zu ihrem Hinterkopf. Lucian sah sich um und nickte ihm bestätigend zu.
»Dante, dein Mentor ist unser Chefkoch Etan. Er hat einige innovative Ideen für das Angebot in unserem Restaurant und der Lounge. Im Moment ist er noch geschäftlich unterwegs, aber er wird in ein oder zwei Tagen wieder hier sein. In der Zwischenzeit besteht deine Aufgabe darin, dich mit den Küchen vertraut zu machen – du kannst mit der anfangen, die zum Parlor gehört, unserem zwangloseren Restaurant.«
»Natürlich. Ich freu mich drauf«, erwiderte Dante fröhlich.
»Und du, Haven, wirst mir assistieren.« Wir hatten das Erdgeschoss jetzt komplett durchquert und waren an einem Aufzug mit Glaskasten angelangt.
»Toll, vielen Dank!« Ich erwartete eigentlich, dass sie dies näher ausführen würde. Ich wollte gerne genau wissen, was Aurelia sich von mir erhoffte, damit ich ihre Erwartungen noch übertreffen und sie beeindrucken konnte. Aber das war alles.
»Jetzt werfen wir einmal einen Blick in unseren Nachtclub, den Tresor.« Sie drückte auf den Liftknopf. »Er hat letzten Monat bei seiner Eröffnung großes Aufsehen erregt, und das Geschäft boomt.« Das stimmte, ich erinnerte mich daran, was ich über den Club gelesen hatte. Hier ließ sich jeder gern sehen: Hollywoodstars, die in der Stadt einen Film drehten, jeder auch nur halbwegs wichtige Sportler aus der Gegend, Musiker auf Tournee. »Uns ist natürlich bewusst, dass ihr noch nicht volljährig seid …« Aurelia verstummte kurz und suchte vielleicht nach einer Art und Weise, uns schonend beizubringen, dass Highschool-Kids hier nicht willkommen waren. »Aber …«
Wir starrten sie mit neu erwachtem Interesse an. Der Aufzug kam, und sie trat ein. Lucian folgte ihr, und schließlich taten wir es ihm zögernd gleich, Dante zuerst.
»… ihr dürft trotzdem in den Club, solange ihr euch verantwortungsbewusst benehmt.«
Wie bitte? Ich dachte, ich hörte nicht recht. Neben mir konnte ich spüren, wie Dante aus jeder Pore strahlte. Das Syndikat drehte sich um, ging dann in einer Reihe, wie eine lange, sich elegant windende Schlange, auf einen Seitengang
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