Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
aber offensichtlich immer noch nicht schnell genug. Als ich aus dem Zimmer kam, marschierte er wie ein Wachhund vor meiner Tür auf und ab – allerdings kein besonders guter. Als ich heraustrat, zuckte er nämlich erschrocken zusammen. Ich war froh, dass ich hier nicht als Einzige so empfindlich war, er tat jedoch so, als wäre gar nichts geschehen.
»Fertig?« Er lief bereits den Flur entlang.
»Da hat’s aber jemand eilig.«
»Immerhin war ich gestern den ganzen Tag in meinem Zimmer eingesperrt. Es ist einfach toll, wieder unter den Lebenden zu sein.«
»Stimmt.« Ich erschauderte erneut.
In unserem Büro in der Galerie lud er die Fotos, die ich ausgesucht hatte, auf den Computer und bastelte dann an seiner Slideshow: Er ordnete die Bilder und spielte mit den verschiedenen Effekten, so dass manche Aufnahmen herangezoomt wurden, während andere nur rasch aufblitzten. Als er fertig war, speicherte er das Ganze und machte sich dann auf den Weg zum Computer an der Rezeption. Ich beneidete ihn nicht um seine Aufgabe – am Empfang arbeiteten nämlich einige der neuen Rekruten, und ihr Blick war jetzt schon ausdrucksloser als am Abend zuvor. Ich hatte sie mir vorhin im Vorübergehen angeschaut und das verräterische Tattoo unter einigen Ärmeln hervorblitzen sehen. Lance war gerade gegangen, und ich machte mich an die tägliche Suche nach Artikeln über das Hotel – das Restaurant hatte gute Kritiken und drei sogenannte Michelin-Sterne bekommen, was offenbar eine große Sache war. Und da hörte ich plötzlich, ohne jede Vorwarnung, die dunkle Reibeisenstimme: »Haven.«
Ich keuchte und fuhr herum, während es mir kalt über den Rücken lief.
»Ja … hallo, Aurelia.« Ich gab mein Bestes, um nicht allzu mitgenommen zu klingen.
»Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe«, behauptete sie mit hinterhältigem Lächeln, »aber da ist eine Joan für dich!«
»Joan? Hier?« Das passte doch überhaupt nicht zusammen. Joan war im Hotel? Jetzt, in diesem Moment? Augenblicklich brach mir der kalte Schweiß aus, und das Herz rutschte mir in die Hose. »Was macht die denn hier?« Das war mir so herausgerutscht, plötzlich wusste ich gar nicht mehr, was ich nun sagte oder nur dachte. Sie darf nicht hier sein, nicht bei diesen Leuten.
» Sie ist offensichtlich zu einer Behandlung im Spa hier.«
»Sie ist im Spa? Jetzt im Moment?« Warum hatte sie mir nicht Bescheid gesagt? Das hatte ich nun davon, dass ich nicht oft genug zu Hause anrief.
»Wir werden für sie den roten Teppich ausrollen und uns ganz besonders um deinen Ehrengast kümmern.« Leider war das jetzt wohl ernst gemeint.
»Ich, äh, gehe dann wohl mal und sage hallo. Ich denke, ich, ja, ich schaue jetzt gleich mal unten vorbei.« Als ich auf die Füße sprang, blockierte Aurelia jedoch immer noch die Tür. »Das geht auch ganz schnell, also, wenn Sie nichts dagegen haben …«
»Überhaupt nicht«, behauptete sie. »Ich freue mich, dass sie miterleben kann, was wir hier alles zu bieten haben.« Ich wartete, bis sie den Durchgang freigab, stürzte dann aus der Galerie und marschierte so schnell zum Spa hinunter, wie es irgend ging, ohne wirklich zu rennen.
»Joan?« Das leise Säuseln entspannender Instrumentalmusik erfüllte die Luft, zusammen mit einem süßen, sauberen Geruch.
»Überraschung, mein Schatz!«, rief die komplett eingepackte Figur auf der Liege lächelnd. Über ihr thronte eine Reihe Duschköpfe an einem langen Arm, die im Moment noch kein Wasser ausspuckten, aber für den passenden Augenblick bereit waren.
»Habe ich irgendeine E-Mail übersehen oder so?« Ich war dankbar für die Gurkenscheiben auf Joans Augen. Wenn sie mich gesehen hätte, wäre ihr nämlich sofort klar gewesen, dass da irgendetwas nicht stimmte. Aber so sprudelte sie einfach in atemberaubendem Tempo los.
»Ich überrumpele dich ja nur ungern, aber Michelle hielt es für so eine süße Idee, an meinem freien Tag hier vorbeizuschauen. Von ihr habe ich auch den Gutschein für die Anwendungen. Das war wirklich lieb von ihr. Hast du in den Nachrichten das mit dem Schulbusunglück gesehen? Die Opfer haben sie bei uns eingeliefert. Es war furchtbar, aber zum Glück sind jetzt alle über den Berg. Diese Michelle ist eine echte Superfrau, aber ich habe auch fast drei Schichten hintereinander übernommen, und dafür wollte sie sich bei mir bedanken. Ich fand es schön, dich zu besuchen – und über das Spa habe ich in der Trib ja so tolle Sachen gelesen. Ich hoffe, das ist
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