Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)

Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)

Titel: Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
Vom Netzwerk:
Reflexe setzten ein und führten mich schon zu der Stelle, an der ich Beckett beobachtet hatte, bevor ich noch groß darüber nachdenken konnte. Ich schlich so leise wie möglich und hielt den Atem an. Zusammengekauert lugte ich dort zwischen den Holzbalken hindurch und beobachtete Lucian. Er hatte ganz langsam die Abdeckung aus Samt zurückgezogen und kniete jetzt vor seinem Porträt. Er streckte die Hand aus, um das Glas zu berühren, zuckte dann aber zurück und stieß einen tiefen, mitleiderregenden Seufzer aus. Kopfschüttelnd stand er auf, deckte die Bilder wieder zu und schloss die große Tür auf.
    Sobald sie hinter ihm zugefallen war, rannte ich los. Es kümmerte mich nicht mehr, ob mich irgendjemand hörte, ich musste hier einfach nur raus.
    Wieder oben angekommen hämmerte ich gegen Lance’ und Dantes Tür, mir war egal, wie spät es war. Sie wurde aufgerissen, und dahinter versuchte Lance krampfhaft, sich die Brille auf die Nase zu schieben.
    »Komme ich zu spät? Ist schon morgen? Habe ich den ganzen Tag verschlafen? Wie spät ist es denn?«
    Ich war so glücklich, ihn zu sehen, dass ich mich ihm am liebsten hier und jetzt in die Arme geworfen hätte – bildlich gesprochen.
    »Nein, Lance, sorry. Es ist zwar morgens, aber noch ganz früh. Du solltest dich wieder hinlegen.«
    Er sah verwirrt aus, und das konnte ich ihm nicht verdenken. »Warum … hast du mich dann geweckt?«
    »Ich weiß, tut mir leid, ich …«
    »Oh!« Auch wenn er noch ganz verschlafen war, kam ihm plötzlich etwas in den Sinn. »Das ist wirklich nett, aber es geht mir schon besser. Ein bisschen Schlaf wirkt ja manchmal Wunder.« Hinter den Brillengläsern fielen ihm fast die Augen zu, aber er sprach trotzdem weiter: »Vielleicht war das ja eine von diesen berühmten 24-Stunden-Grippen. Ich habe das ja immer für ein Märchen gehalten, für nicht erkannte Lebensmittelvergiftungen. Aber jetzt hab ich’s geschnallt, das gibt es wirklich. So eine Art 24-stündiges Pfeiffer’sches Drüsenfieber. Aber jetzt ist wieder alles okay.«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass es daran lag«, meinte ich. Mein Einspruch schien ihn zu erstaunen. »Egal, wir reden später darüber.« Bei einem Blick über seine Schulter bemerkte ich, dass Dantes Bett ordentlich gemacht war. Das entging Lance nicht.
    »Den habe ich noch gar nicht gesehen, der ist schon wieder die ganze Nacht weg.«
    Bei diesen Worten wurde mir ganz schwer ums Herz. Ich dachte an Etan, der heute Abend neben Lucian gestanden hatte, und machte mir Sorgen, fragte mich, was das wohl für meinen Freund bedeutete.
    »Danke«, sagte ich schließlich. Ich beschloss, dass ich Lance jetzt nicht alles erzählen konnte. Er war ja noch im Halbschlaf und hätte mich bestimmt für verrückt erklärt. »Schön, dass es dir besser geht. Und tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.«
    »Danke, dass du nach mir gesehen hast.« Er gähnte und winkte. Dass er mich für so selbstlos hielt, fand ich rührend. Und ich freute mich für ihn, weil er jetzt zurück ins Bett gehen konnte und keine Ahnung hatte, dass ich einfach nur aus Angst und dem egoistischen Bedürfnis nach Trost an seine Tür gehämmert hatte. Ich hatte nämlich völlig vergessen, dass er vorhin so krank gewesen war. Tatsächlich erinnerte ich mich an nichts mehr, was vor diesem Ritual passiert war. Alles in meinem Kopf drehte sich und wirbelte herum. Warum war ich bloß hier gelandet? Ich gehörte doch gar nicht hierher. Aber das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um Lance danach zu fragen. Ich sah ihm in die verschlafenen Augen.
    »Sicher«, meinte ich. »Wir sehen uns morgen!«
    »Bis dann!« Gähnend schloss er sanft die Tür. Ich stand noch länger als geplant im Flur herum und ging dann endlich zurück in mein Zimmer. Dort setzte ich mich aufs Bett und zog das Buch hervor. Ich blätterte es von der ersten Seite an durch und suchte nach etwas, das mir Stärke verleihen würde. Als ich schließlich den letzten Eintrag erreichte, fand ich dort noch etwas Neues.
    Unter dem heutigen Datum stand:
    Du hast nun von der Metamorphose gehört. Was du gesehen hast, ist aber nur ein Teil der Geschichte. Da ist noch viel mehr. Fakt ist: Im Reich der Metamorphose lernen Hilfsteufel ihr Handwerk und versuchen sich unter den aufmerksamen Blicken ihrer Lehrer an Tod und Zerstörung. Dir bietet sich hier jedoch ein Übungsgelände ganz anderer Art. Du kannst nicht erwarten, bei mir für alles eine Erklärung zu finden, hast jetzt aber genug

Weitere Kostenlose Bücher