Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
der Stelle, wo ich eben noch Aurelia mit diesem Mann gesehen hatte. Die beiden waren verschwunden. Ich konnte spüren, wie Lucian zu mir herübersah. Ich wartete ab, bis ich es nicht mehr aushielt – was kaum länger dauerte als ein paar Sekunden –, und dann kehrte mein Blick automatisch zu ihm zurück. Das schwache Licht glitzerte auf seiner perfekten Haut und dem zurückgegelten Haar, und er hatte einen Smoking an, den er ganz lässig trug. Er kam ein paar Schritte auf mich zu. Ich hingegen zog mich in eine dunklere Ecke neben den Syndikat-Fotos zurück, denn als er sich näherte, schrillten in meiner bebenden Brust alle Alarmglocken.
»Dieses Wandbild ist ja doch noch ganz gut geworden«, flüsterte Lucian dicht an meinem Ohr. Ich spürte, wie der Boden unter meinen Füßen ins Wanken geriet, und fürchtete, ganz einfach dahinzuschmelzen, dann aber riss ich mich zusammen. »Die Hölle habt ihr perfekt hinbekommen. Ich bin wirklich beeindruckt, und das bin ich nicht oft. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich jetzt denken, dass du vielleicht auch eine dunkle Seite hast.«
Während ich verzweifelt nach Worten rang, konnte ich noch immer seinen Atem spüren. Ich fragte mich, ob ich mich wohl zu ihm umdrehen sollte, stand aber wie festgenagelt da. Also starrte ich einfach weiter geradeaus auf die Bilder, die ich mir ohnehin schon viel zu lange angeschaut hatte. Bitte sieh dir nicht mein ruiniertes Bild an , flehte ich innerlich.
Falls sich da noch jemand im Raum befinden sollte, auch nur eine einzige Menschenseele, bekam ich es jedenfalls nicht mit. Ich nahm nichts mehr wahr außer uns beiden und der Musik aus der Lobby – die sich mit klagenden Hörnern langsam, anzüglich und verführerisch in die Galerie ergoss. Mein Puls nahm Fahrt auf.
»Tja, danke.« Ich schürzte kurz die Lippen, um ihr Zittern zu unterbinden. »Aber ich glaube, da war ich nicht so ganz in meinem Element. Mit diesem Garten der Lüste hätte ich vielleicht mehr Glück gehabt.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich seine Lippen bewegten. »Das Thema Lüste liegt dir bestimmt, wenn du dich daran erst versuchst.«
Er umrundete mich und trat dann noch ein, zwei Schritte vor, womit er mich weiter in die Ecke drängte.
Ich wusste nicht genau, wie ich darauf reagieren sollte. »Danke, gleichfalls?« Er schien meine Unsicherheit als Koketterie aufzufassen, was mir ganz recht war.
Dann lächelte er. Benommen trat ich einen weiteren Schritt zurück und fand mit den Händen die Wand hinter meinem Rücken. Ich wünschte wirklich, ich hätte dieses Schnapsglas irgendwo abstellen können – damit musste ich mich ja früher oder später bekleckern. Lucian lehnte sich mit einer Schulter an die Wand, so dass wir einen rechten Winkel bildeten. Er ließ das restliche Eis in seinem Glas klirren und beobachtete, wie es in der verbleibenden Flüssigkeit herumwirbelte, die zu der Farbe meiner Augen passte. Mit der Spitze des Zeigefingers berührte ich die Stelle auf meiner Brust, an der meine Narbe in Flammen stand, und wünschte mir, sie irgendwie beschwichtigen zu können. Ich fragte mich, ob der Stoff dort vielleicht die Haut irritiert hatte, dabei handelte es sich doch um allerfeinste Seide. Mein Körper hatte meine Nervosität offensichtlich als Angst aufgefasst. Lucian griff nach meiner Hand.
»Oh, wie schön.« Er zog meine Finger näher zu sich heran, um sich den Ring anzuschauen. Der riesige Diamant funkelte und glänzte mit seinen Augen um die Wette, die schlugen ihn aber um Längen.
»Ich weiß. Der gehört natürlich Aurelia. Bei dem ganzen Klunkerkram bräuchte ich eigentlich einen Bodyguard. Wirklich großzügig von ihr, dass sie mir ihre Sachen leiht.«
»Die stehen dir gut«, erwiderte er mit feuriger Stimme.
»Danke.« Er ließ meine Hand sinken, die sich plötzlich gar nicht mehr anfühlte wie ein Teil meines Körpers. Ich wusste nicht, was ich damit machen sollte, also kehrte sie zu ihrem vorherigen Platz hinter meinem Rücken zurück. »Aurelia war heute Abend echt toll, sie hat mich allen vorgestellt.«
»Mir ist da zu Ohren gekommen, dass sie dir in Zukunft gern noch mehr Verantwortung übertragen will.«
»So was hat sie mir gegenüber auch erwähnt. Das wäre natürlich fantastisch«, erklärte ich und beschloss dann, ihn einfach zu fragen. »Sie hat mir heute Abend einen Gentleman im Smoking vorgestellt. Die beiden standen ziemlich lange da drüben.« Ich wies auf den Eingang der Galerie. »Aber ich hab seinen Namen
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