Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
gar nicht mitbekommen. Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht …«
»Das ist nur der Fürst«, unterbrach er mich, und in seiner Stimme schwang plötzlich eine gewisse Gereiztheit mit. Mir stellte sich auf einmal die Frage, ob ich vielleicht nur in den Genuss von Lucians Gesellschaft kam, weil Aurelia gerade mit einem anderen Mann beschäftigt war – ehrlich gesagt scherte mich das aber nicht. Ich wollte einfach nur seine Aufmerksamkeit, mich in diesem Blick sonnen, seine Gedanken beherrschen, egal warum. Und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto gieriger wurde ich.
»Einfach nur der Fürst?«
»Ja.«
»Woher kommt er?«
»Davon hast du bestimmt noch nie gehört, und es ist auch nicht so wichtig. Er ist einfach nur ein Freund«, bemerkte er für meinen Geschmack ein wenig zu spitz und höhnisch. Ich war eingeschnappt, aber nur ganz kurz. Wahrscheinlich hätte ich das Thema gar nicht zur Sprache bringen sollen. Warum konnte ich die wenigen Augenblicke mit Lucian nicht einfach genießen, ohne sie zu sabotieren?
»Tja, das hört sich ja an, als hättest du Freunde ganz oben.« Ich spielte mit meinen Fingern herum und wandte den Blick ab.
»Vielleicht«, meinte er und grinste, während er an seinem Drink nippte. »Oder auch ganz unten.« Er sah mich an. »Du bist anders als die Frauen, die ich sonst so kenne.« Es war eine Feststellung, er konstatierte nur eine Tatsache, eine erstaunliche neue Entdeckung, die er gerade gemacht hatte. Und wahrscheinlich hatte er recht. Ich war ganz und gar nicht wie die Syndikat-Glamazonen mit ihren endlos langen Beinen. Aber war das wirklich ein Kompliment? »Du bist lieb«, sagte er in diesem Augenblick, so als hätte er meine Gedanken gelesen. »Das gefällt mir.«
Ich konnte die Röte nicht unterdrücken, die sich über meine Wangen legte, und auch das Lächeln nicht, das meine Mundwinkel umspielte.
»Wie ist es denn, so wie du zu sein?«, fragte er, und es lag ein scherzhafter Unterton in der Frage.
»Wie ich?«
»Wie ist das, wenn man so lieb und gut ist?«
»Das weißt du doch sicher selbst, bestimmt bist du auch …«
»Leider habe ich keine Ahnung.«
»Besonders aufregend ist es eigentlich nicht«, flüsterte ich kokett. »Aber so bin ich eben gepolt, denke ich.« Ich zuckte mit den Achseln. »Und ich bin auch wirklich keine Heilige.«
»Tatsächlich? Kaum zu glauben.«
»Aber wahr.«
»Sag mal, was meinst du – ist es den Menschen eigentlich vorherbestimmt, gut oder böse zu werden, oder kann man so ein Schicksal vielleicht abwenden?«
»Ich weiß nicht. Das kommt wohl auf jeden Einzelnen an, und darauf, wie wichtig es ihm ist.«
Inzwischen durchbohrten mich seine Augen geradezu. Ich schaute lieber zur Seite, aber er sah nicht weg.
»Vielleicht hast du recht«, überlegte er. Er ließ seinen Blick noch einmal über die Fotos wandern und nahm sie als Ganzes in sich auf. Wenn er auf meinem etwas Ungewöhnliches bemerkt haben sollte, dann war er ein absoluter Gentleman, denn er sprach den Makel nicht an.
»Weißt du, bei den amerikanischen Ureinwohnern glauben einige Stämme, dass man ihnen die Seele raubt, wenn man ein Foto von ihnen macht«, erklärte ich, nur um ihn von den Porträts abzulenken. Und er wandte sich jetzt wirklich wieder mir zu. Zuerst war ich erleichtert, dann aber nervös.
»Die sind wirklich toll geworden. Ich weiß, dass du das gern auf die Motive schiebst, aber da muss ich dir widersprechen. Natürlich mit dem gebotenen Respekt.«
»Natürlich.«
»Weißt du, ich denke, dass ein Fotograf in jedes Bild auch etwas von sich selbst mit einbringt. Diese Bilder spiegeln auch etwas von dir wider, ob es dir nun passt oder nicht. Also kannst du dafür ruhig auch die Lorbeeren einstreichen.«
»Wenn du darauf bestehst.«
»Und ob.«
»Na dann, danke.«
»Gern geschehen.«
Wir schwiegen einen Moment, und dann kam mir etwas in den Sinn: »Willst du mich damit nur daran erinnern, dass ich wieder an die Arbeit muss?« Ich erhaschte einen Blick auf Lance, der noch immer mit Raphaella sprach. Oder eigentlich redete sie, während er mit ernster Miene und gerunzelter Stirn zu mir rüberstarrte. Er schaute nicht einmal weg oder änderte den Gesichtsausdruck, als er meinen Blick bemerkte. Dann sprach jedoch wieder Lucian, also verbannte ich Lance aus meinen Gedanken und meinem Blickfeld.
»An die Arbeit machen? Was soll das denn heißen?«, fragte Lucian.
»Oh, nur … dass ich heute Abend im Tresor Fotos schießen soll.«
»Ach,
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