Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
ihr vergessen hast.« Er legte sie auf den Tisch. »Aber eigentlich hätte ich eher ein Geschenk mitbringen sollen.« Er schlug beschämt die Augen nieder. »Als Erstes wollte ich noch unbedingt sagen, dass es so wirklich nicht laufen sollte. Also, gestern Abend.«
Jetzt wusste ich beim besten Willen nicht, ob er damit sein Verschwinden meinte oder den Kuss an sich. Ich antwortete nicht und wartete lieber darauf, dass er etwas konkreter wurde. »Mein übereilter Aufbruch.«
»Oh, das.« Puh. »Kein Problem. Ich hatte im Tresor schon so eine Art Bermudadreieck vermutet. Irgendwann würdest du wohl wieder auftauchen … und da bist du ja nun.« Es klang so locker, wie ich gehofft hatte. Vor allem war ich unendlich erleichtert darüber, worauf sich sein Bedauern bezog.
»Bermudadreieck, genau.« Er lachte. »Und ich muss wohl kaum erwähnen, dass mich der Wechsel der Lichtverhältnisse ein wenig aus der Bahn geworfen hat.«
»Völlig verständlich.«
»Wenn du jetzt also das Motto für einen Abend im Tresor stellen solltest, dann hoffentlich nicht den Zorn?«
Ich lachte ebenfalls. »Nein, ganz bestimmt nicht.« Und das stimmte auch.
»Gut, denn ich habe mir gedacht, dass wir es vielleicht noch mal versuchen könnten – irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich ständig bei dir entschuldige.« Den letzten Satz sagte er eigentlich mehr zu sich selbst. Ich fand’s toll. »Dann also heute Abend.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Heute Abend.«
»Ich weiß, dass dich da jemand«, er deutete in die Richtung von Aurelias Büro, »wieder als Paparazzo abkommandiert hat, oder?«
»Richtig.« Ich ließ nur ein kleines bisschen Enttäuschung durchscheinen.
»Na ja, wenn wir mal ehrlich sind, geht es im Club doch ohnehin erst nach Mitternacht richtig ab, also haben wir vorher noch jede Menge Zeit. Und irgendwann musst du ja mal was essen. Richtig?«
»Wieder richtig.«
»Also sehen wir uns heute zum Abendessen. Soll ich dich um sieben abholen?«
»Mich abholen?«
»Ich weiß ja, wo du wohnst.«
»Also um sieben.«
Nachdem das geklärt war, ging er ein paar Schritte auf die Tür zu und sah hinaus. »Ja, da kommt er auch schon. Ich habe ihn losgeschickt, um Material zu besorgen.«
»Was denn für Material?«
»Das für euren kleinen Ausflug. Damit hatte er was zu tun und war mir hier nicht im Weg.«
»Schlau eingefädelt.«
»Ich weiß. Dann bis um sieben!«
Mit diesen Worten – und einem letzten spielerischen Grinsen, das unsere kleine Flirtszene zum Abschluss brachte – ging er zur Tür hinaus. Ich hörte, wie er an Lance vorbeikam und ihm für irgendetwas dankte. Innerhalb von Sekunden erschien nun mein Mitpraktikant, der schmale rote Schachteln im Arm hielt, und zwar mindestens zwanzig Stück. An beiden Armen baumelten dazu passende glänzende Geschenktütchen, und aus einer davon schaute Seidenpapier hervor.
»Also«, begann er und setzte die beiden schwankenden Türme vor mir ab, die wir dann mit vereinten Kräften vor dem Umsturz bewahrten, »die liefern wir wohl aus.«
»Was genau …« Ich zog eine Schachtel zu mir heran. Den Deckel zierte eine Aquarellmalerei des Hotels, deren Original hier bei uns in der Galerie hing. Bis auf eine waren alle Schachteln mit einem Goldbändchen verschlossen. Bei dieser einen hob ich nun den Deckel hoch und entdeckte fast ein Dutzend kleiner Schokowürfel. Jeder davon war mit den allgegenwärtigen Lexington-Insignien – in Rot auf dunkler Schokolade – versehen. »Ooooh.«
»Pralinen!«
»Wir sind heute also quasi Hochglanz-Osterhasen.«
»So ausgedrückt klingt das ganz schön schmierig.«
»Hm, was ist denn hier passiert?« Ich hielt Lance die Schachtel hin, in der mich neben elf Pralinen auch eine verdächtig leere Vertiefung anlachte.
»Erwischt. Die können wir allerdings behalten, das hat Dante für uns gedreht.«
»Danke, Dante.« Ich griff nach einem der mundgerechten Schokoladenhäppchen und schob es mir in den Mund. Darin verbarg sich eine Trüffelmasse, die weich und cremig und ein kleines bisschen bitter war, wie immer bei dem teuren Zeug. Lance nahm sich auch noch ein Stück.
»Die sind echt gut«, meinte er mit vollem Mund. »Eigentlich bin ich ja sonst eher der herbe Typ, aber …«
»Ja, du bist wirklich ziemlich herb«, grinste ich.
»Das bekomme ich ständig zu hören.«
»Da bin ich mir sicher.«
»Quatsch, aber die hier sind echt unglaublich. Ich möchte wirklich wissen, was für Magie die in dieser Küche betreiben.«
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