Das dunkelste Blau
interessierte sich so für die mechanische Seite der Angelegenheit, daß er nicht allzu viele Fragen darüber stellte, warum wir das alles taten.
Es hatte aufgehört zu regnen, obwohl es noch überall Tropfgeräusche gab. Der Laster knatterte beim Anlassen und stand eine Zeitlang bebend da, während Lucien die Scheinwerfer anmachte und den Motor auf Touren brachte. Er steckte den Kopf aus dem Fenster, und ich winkte. Langsam, ganz langsam schob der Laster sich zentimeterweise nach vorne. Leben kam in das Seil, es spannte sich zitternd. Die Rolle des Flaschenzugs schwang heftig in meine Richtung. Es gab ein krachendes Geräusch, als der Balken dem Zug des Lasters ausgesetzt wurde; ich sprang zurück und wartete ängstlich darauf, daß das Haus um mich herum zusammenbrechen würde.
Der Balken hielt. Ich ließ den Schein der Taschenlampe am Seil entlanggleiten, vor und zurück, zur Rolle, zu den Klammernund aus dem Fenster hinaus bis zum Laster hin. Es war eine Menge, was ich im Auge behalten mußte. Ich war vollkommen konzentriert; mein Körper war angespannt wie eine Feder.
Ich hatte einige Sekunden lang eine der Klammern angeleuchtet, als sie anfing, vom Stein abzurutschen. Schnell schwang ich den Strahl durch das Fenster in den Außenspiegel. Lucien hielt den Laster in dem Moment an, als die Klammer sich vom Stein gelöst hatte und der Metallrahmen in Richtung der Rolle raste, in den Schornstein schlug, und dann gegen den Balken krachte. Ich schrie auf und preßte mich mit dem Rücken gegen die Tür. Der Rahmen fiel klappernd zu Boden. Ich rieb mir die Augen, als Lucien den Kopf durch das kleine Fenster hereinsteckte.
»Alles in Ordnung mit dir?« fragte er.
»Ja. Es war nur eine Klammer, die vom Stein abgerutscht ist. Ich lege sie wieder an.«
»Bist du sicher?«
»Natürlich«, erwiderte ich. Ich atmete tief ein und ging zum Rahmen hinüber.
»Laß mich mal sehen«, sagte Lucien. Ich brachte ihm den Rahmen. Zum Glück war das Metall nicht beschädigt. Er sah vom Fenster aus zu, wie ich ihn um den Stein herumlegte und die Klammern befestigte, wie ich es zuvor bei ihm gesehen hatte. Als ich fertig war, leuchtete ich hin, und Lucien nickte.
»Gut. Weißt du, vielleicht können wir das tatsächlich hinkriegen.« Er ging zum Laster zurück; ich nahm meine vorige Stellung am Fenster ein.
Wir fingen wieder an.
Isabelle kauerte im Stroh und sah durch den devant-huis hinaus. Der Regen fiel jetzt in schweren Tropfen, und der Himmel war dunkel. Bald würde es Nacht sein. Sie beobachtete ihre Söhne. Petit Jean fuhr fort, das Pferd zu striegeln und sah nervös um sich. Jacob saß da und betrachtete die Steine aus Maries Kleid. Er leckte sie ab und sah dann zu seiner Mutter hoch.
– Sie haben die häßlichsten Steine ausgewählt, sagte er leise. Die grauen, farblosen. Warum haben sie das getan?
– Sei still, Jacob! zischte Petit Jean.
– Was meint ihr damit, ihr zwei? rief Isabelle. Was verschweigt ihr mir?
– Nichts, Maman, erwiderte Petit Jean. Marie ist weggelaufen, weißt du. Sie geht zum Tarn zurück und trifft sich dort mit dem Teufel. Das hat sie gesagt.
– Nein. Isabelle stand auf. Ich glaube dir nicht. Ich glaube dir nicht ein Wort!
Die Klammern rutschten noch zweimal ab, aber beim dritten Mal hielten sie. Lucien fuhr Zentimeter um Zentimeter vorwärts, wobei er unglaublichen Lärm machte, aber einen gleichmäßigen Zug beibehielt. Ich hatte die Taschenlampe gerade wieder auf die Rolle des Flaschenzuges gerichtet, als ich ein schmatzendes Geräusch hörte, wie wenn ein Fuß aus dem Schlamm gezogen wird. Ich bewegte die Taschenlampe und sah, wie der Herd sich langsam, widerwillig aus der Erde löste und sich zuerst einen Zentimeter, dann zwei, drei, vier Zentimeter und weiter stetig nach oben hob. Ich sah wie angenagelt zu. Der Balken fing an zu ächzen. Ich verließ meine Position am Fenster, hockte mich neben den Stein und leuchtete in den Spalt. Es herrschte jetzt ein schreckliches Getöse von dem knarrenden Balken und Flaschenzug und dem Laster, der draußen heulte, und von meinem klopfenden Herzen. Ich blickte in die Dunkelheit unter dem Herd.
Sie hörten das dumpfe Dröhnen eines Steins, der auf den Boden aufschlug, und erstarrten. Sogar das Pferd stand still.
Isabelle und Petit Jean gingen zur Tür, und Jacob richtete sich auf, um ihnen zu folgen. Isabelle kam bei der Tür an und versuchte sie zu öffnen. Als sie dagegen drückte, wurde der Riegel weggeschoben, und Etienne öffnete die
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