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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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es anders. Erstens hatte ich nie Sex gehabt, weil ich das Gefühl hatte, es tun zu müssen – immer nur, weil ich es wollte. Jetzt stand da ein unausgesprochener Zweck hinter dem Akt und machte ihn erzwungen und berechnet. Ich war auch nicht ganz glücklich damit, plötzlich keine Verhütungsmittel mehr zu benutzen:Die ganze Mühe, die ich in all den Jahren für Verhütung aufgebracht hatte, all die Vorsicht und die Verhaltensmaßregeln, die mir eingebleut worden waren – sollte das alles einfach in einem Augenblick über Bord geworfen werden? Ich hatte gehört, daß das alles sehr stimulierend sein konnte, doch wo ich Überschwang erwartet hätte, spürte ich Furcht.
    Vor allem war ich erschöpft. Ich schlief schlecht, wurde jede Nacht in einen Raum voll Blau geschleppt. Ich sagte nichts zu Rick, weckte ihn nie und erklärte ihm auch am nächsten Morgen nicht, warum ich so müde war. Normalerweise erzählte ich ihm alles; jetzt war meine Kehle zugeschnürt und meine Lippen verschlossen.
    Eines Nachts lag ich wach und starrte in das Blau, das über mir tanzte, als es mir endlich klar wurde: Die einzigen zwei Nächte in den letzten zehn Tagen, in denen ich den Traum nicht hatte, waren die, in denen wir nicht miteinander geschlafen hatten.
    Ein Teil von mir war erleichtert, als ich diesen Zusammenhang erkannte, es erklären konnte: Ich hatte Angst davor, schwanger zu werden, und das löste den Alptraum aus. Dies zu wissen machte es ein bißchen weniger beängstigend.
    Trotzdem brauchte ich Schlaf; ich mußte Rick davon überzeugen, daß wir weniger Sex haben sollten, ohne ihm zu erklären, warum. Ich brachte es nicht über mich, ihm zu erzählen, daß ich Alpträume bekam, nachdem er mit mir geschlafen hatte.
    Als meine Periode einsetzte und es klar war, daß wir kein Baby gemacht hatten, schlug ich Rick statt dessen vor, es mit der strategischen Methode zu versuchen. Ich benutzte alle Schulbuch-Argumente, die mir einfielen, warf ein paar Fachausdrücke dazwischen und versuchte dabei fröhlich zu wirken. Er war zwar enttäuscht, stimmte aber gutmütig zu.
    »Du weißt mehr über diese Dinge als ich«, sagte er. »Ich bin hier nur das Werkzeug. Du entscheidest, was wir tun.«
    Obwohl der Traum jetzt seltener kam, war es schon passiert:Ich schlief nicht mehr so tief, und oft lag ich wach, spürte eine unbestimmte Angst, wartete auf das Blau und fürchtete, daß es in irgendeiner Nacht einfach wiederkommen würde, auch ohne Sex.
    Eines Abends – es war einer der strategischen Abende – küßte Rick meine Schulter bis zu meinem Arm herab, als er plötzlich innehielt. Ich fühlte seine Lippen über meiner Armbeuge schweben. Ich wartete, aber er machte nicht weiter. »Ähm, Ella«, sagte er schließlich. Ich schlug die Augen auf. Er starrte meine Armbeuge an; als meine Augen seinem Blick folgten, schnellte mein Arm von ihm weg.
    »Oh«, sagte ich nur. Ich betrachtete den Kreis roter, schuppiger Haut.
    »Was ist das?«
    »Psoriasis. Das hatte ich schon einmal, als ich dreizehn war. Als Mom und Dad sich scheiden ließen.«
    Rick sah es sich an, dann beugte er sich über mich und küßte mich auf die Augenlider.
    Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich noch einen Hauch von Abscheu in seinem Gesicht, bevor er sich zusammennahm und mich anlächelte.
    Während der nächsten Woche sah ich hilflos zu, wie der ursprüngliche Fleck sich ausdehnte, dann auf meinen anderen Arm und beide Ellbogen übersprang. Bald würde er auch meine Schenkel erreicht haben.
    Auf Ricks Drängen hin ging ich zu einem Arzt. Er war jung und brüsk und hatte nichts von der Kumpelhaftigkeit, mit der amerikanische Ärzte bei ihren Patienten das Eis brechen. Ich mußte mich sehr auf sein schnelles Französisch konzentrieren.
    »Sie hatten das früher schon?« fragte er, als er meine Arme untersuchte.
    »Ja, als Kind.«
    »Aber seitdem nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Wie lange sind Sie schon in Frankreich?«
    »Seit sechs Wochen.«
    »Und Sie werden bleiben?«
    »Ja, für ein paar Jahre. Mein Mann arbeitet für ein Architekturbüro in Toulouse.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Nein. Noch nicht.« Ich wurde rot. Reiß dich zusammen, Ella, dachte ich. Du bist achtundzwanzig Jahre alt, da brauchst du dich nicht mehr wegen Sex zu genieren.
    »Und Sie arbeiten jetzt?«
    »Nein. Das heißt ich habe gearbeitet, in den Staaten. Ich war Hebamme.«
    Er hob die Augenbrauen. » Une sage-femme? Wollen Sie in Frankreich praktizieren?«
    »Ich würde schon gerne arbeiten, aber

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