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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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erwähnte ich nicht, das Blut oder die traumatischen Momente, wenn etwas schiefging. Denn es war ein wundervoller Beruf, und ich hoffte, in Frankreich praktizieren zu können, sobald ich die erforderlichen Kurse und Examen absolviert hatte.
    Das letzte Projekt hatte eine unsichere Zukunft, aber es würde mich jedenfalls auf Trab halten, wenn es soweit war. Überraschen würde es zumindest niemanden: Ich war achtundzwanzig, Rick und ich waren seit zwei Jahren verheiratet, und der Druck von allen Seiten, uns selber eingeschlossen, wurde immer stärker.
    Eines Abends, wir wohnten erst seit ein paar Wochen in Lislesur-Tarn, gingen wir in das eine gute Restaurant in die Stadt zum Abendessen. Wir plauderten über alles mögliche – Ricks Arbeit, meinen Tag –, während wir crudités, pâté , Forelle aus dem Tarn und Filet Mignon verspeisten. Als der Kellner Ricks creme brulée und meine tarte au citron brachte, beschloß ich, daß der richtige Augenblick gekommen war. Ich biß in die Dekorations-Zitronenscheibe; mein Mund zog sich zusammen.
    »Rick«, fing ich an und legte meine Gabel nieder.
    »Großartige creme brulée «, sagte er. »Besonders das brulée . Hier, probier mal.«
    »Nein danke. Hör mal, ich habe nachgedacht.«
    »O je, wird das etwa ein Problemgespräch?«
    In diesem Moment kam ein Paar ins Lokal und wurde an den Tisch neben uns geführt. Der Bauch der Frau zeichnete sich unter ihrem eleganten schwarzen Kleid ab. Fünfter Monat, dachte ich automatisch, und sie trägt es sehr hoch.
    Ich sprach leiser. »Wir haben doch ab und zu darüber gesprochen, ob wir Kinder haben wollen . . .«
    »Willst du jetzt Kinder haben?«
    »Na ja, ich hab darüber nachgedacht.«
    »Okay.«
    »Was – okay?«
    »Okay, machen wir.«
    »Einfach so? Einfach ›machen wir‹?«
    »Warum nicht? Wir wissen, daß wir welche wollen. Warum sollen wir uns ewig Gedanken machen?«
    Ich fühlte mich im Stich gelassen, obwohl ich Rick zu gut kannte, als daß mich seine Einstellung überrascht hätte. Er traf immer alle Entscheidungen schnell, sogar große, während ich oft wollte, daß es ein komplizierterer Prozeß wäre.
    »Ich hab das Gefühl –« Ich dachte nach. »Es ist ein bißchen wie ein Fallschirmsprung. Weißt du noch, als wir das letztes Jahr gemacht haben? Du bist da oben in diesem winzigen Flugzeug und du denkst, noch zwei Minuten und dann kann ich nicht mehr zurück, eine Minute und dann kann ich nicht mehr zurück, und dann, jetzt bin ich zwar hier an der Tür und halte mich fest, aber ich kann immer noch zurück. Und dann springst du und du kannst nicht mehr zurück, egal, wie es sich anfühlt. So ein Gefühl habe ich jetzt auch. Ich stehe an dieser offenen Flugzeugtür.«
    »Ich kann mich nur an dieses phantastische Gefühl des Fallens erinnern. Und der wunderschöne Blick beim Herunterschweben. Es war so still da oben.«
    Ich sog an der Innenseite meiner Wange, dann aß ich ein großes Stück tarte.
    »Es ist eine wichtige Entscheidung«, sagte ich mit vollem Mund.
    »Eine wichtige Entscheidung ist getroffen.« Rick lehnte sich herüber und küßte mich. »Mmmh, köstlich, Zitrone.«
    Später in der Nacht schlich ich mich aus dem Haus und ging zur Brücke. Ich hörte den Fluß weit unten, aber es war zu dunkel, als daß ich das Wasser hätte sehen können. Ich sah mich um; da niemand in Sichtweite war, zog ich eine Packung Verhütungspillen heraus und fing an, die Tabletten einzeln aus der Metallfolie zu drücken. Sie verschwanden in Richtung des Wassers, kleine weiße Blitze, die sekundenlang in der Dunkelheit aufleuchteten. Als sie alle weg waren, lehnte ich mich eine Zeitlang ans Geländer und wollte unbedingt ein anderes Gefühl haben.
    Etwas änderte sich in dieser Nacht tatsächlich. Ich hatte das erste Mal den Traum: der Nebel, die Stimmen, das donnernde Hallen, das Blau.
    Meine Freundinnen hatten mir erzählt, daß, wenn man versucht, schwanger zu werden, man entweder viel mehr oder viel weniger Sex hat. Man kann es entweder dauernd tun, so, wie ein Gewehr seinen Schrot überallhin verschießt, in der Hoffnung, etwas zu treffen. Oder man kann strategisch zuschlagen und die Munition für den richtigen Augenblick aufheben.
    Am Anfang probierten Rick und ich die erste Möglichkeit aus. Wenn er von der Arbeit nach Hause kam, hatten wir vor dem Abendessen Sex, gingen früh ins Bett, wachten früh auf, um es zu tun, und fanden Zeit dafür, sooft es ging.
    Rick war begeistert von diesem Überfluß, aber für mich war

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