Das dunkelste Blau
in Richtung des Kastanienhains.
Hannah sah von dem Wolf zu Isabelle und wieder zurück. Das Tier stand da und betrachtete sie ruhig mit seinen gelben, wachen Augen. Es blickte nicht einmal zum Soldaten hin, der bewegungslos dalag.
– Merci, sagte Isabelle leise und nickte in Richtung des Wolfes. Merci, Maman.
Hannahs Augen weiteten sich.
Sie warteten, bis der Wolf sich umdrehte und davontrottete, über den niedrigen Wall sprang und in Richtung des nächsten Feldes verschwand. Dann ging Hannah weiter. Isabelle folgte ihr, hielt dann an, schaute zurück, den Soldaten an, und zitterte. Schließlich machte sie kehrt und näherte sich ihm vorsichtig. Sie sah ihn kaum an; statt dessen hockte sie sich neben sein Schwert und musterte es genau. Hannah wartete mit verschränkten Armen und gesenktem Haupt auf sie.
Isabelle stand abrupt auf.
– Kein Blut, sagte sie.
Als sie im Wald waren, rief Isabelle leise nach den Kindern. Sie konnte hören, wie das reiterlose Pferd in einiger Entfernung durch das Holz brach. Wahrscheinlich hatte es das Ende des Wäldchens erreicht, denn das Geräusch verlor sich in der Ferne.
Die Kinder tauchten nicht auf.
– Sie müssen schon weiter sein, murmelte Isabelle. Es war kein Blut an dem Schwert. Bitte, mach, daß sie schon weitergegangen sind. Sie sind weitergegangen, wiederholte sie lauter, so daß Hannah es hören konnte.
Als keine Antwort kam, fügte sie hinzu: – Nicht, Mémé? Denkst du, daß sie schon weitergegangen sind?
Hannah zuckte nur die Achseln.
Sie machten sich auf den Weg über die Felder zum Hof von Isabelles Vater. Sie horchten dabei auf Soldaten, die Kinder, das Pferd, alles und jedes. Sie begegneten niemandem.
Es war dunkel, als sie in den Hof stolperten. Das Haus war schwarz und verriegelt, aber als Isabelle leise an die Tür klopfte und flüsterte, Papa, c’est moi , wurden sie eingelassen. Die Kinder saßen mit ihrem Großvater im Dunklen. Marie sprang auf, rannte zu ihrer Mutter und preßte ihr Gesicht an Isabelles Hüfte.
Henri du Moulin nickte Hannah kurz zu; sie sah weg. Er wandte sich an Isabelle.
– Wo sind sie?
Isabelle schüttelte den Kopf.
– Ich weiß nicht. Ich denke – Sie sah die Kinder an und hielt inne.
– Wir warten, sagte ihr Vater grimmig.
– Ja.
Sie warteten stundenlang, die Kinder schliefen nach und nach ein, die Erwachsenen saßen steif am Tisch in der Dunkelheit. Hannah schloß die Augen, saß aber sehr aufrecht da, die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet. Bei jedem Geräusch öffnete sie die Augen, und ihr Kopf schnellte zur Tür herum.
Isabelle und ihr Vater waren still. Sie sah sich traurig um. Sogar im Dunkeln konnte man sehen, daß das Haus in schlechtem Zustand war. Als Henri du Moulin erfuhr, daß seine Zwillingssöhne tot waren, hörte er auf, sich um den Hof zu kümmern: DieFelder lagen brach, die Dächer wurden undicht, die Ziegen liefen weg, die Mäuse nisteten im Korn. Es war schmutzig und naßkalt drinnen, feucht sogar in der Hitze und Trockenheit der Erntezeit.
Isabelle lauschte auf die Mäuse, die in der Dunkelheit raschelten.
– Du brauchst eine Katze, flüsterte sie.
– Ich hatte eine, erwiderte ihr Vater. Sie ist weggelaufen. Nichts bleibt hier.
Kurz vor der Dämmerung hörten sie etwas im Hof, den gedämpften Hufschlag eines Pferdes. Jacob setzte sich schnell auf.
– Es ist unser Pferd, sagte er.
Zuerst erkannten sie Etienne nicht. Die Gestalt, die da schwankend in der Tür stand, hatte keine Haare mehr außer ein paar Flecken versengter schwarzer Stoppeln auf dem Schädel. Seine hellen Augenbrauen und Wimpern waren weg, so daß seine Augen haltlos in seinem Gesicht zu schwimmen schienen. Seine Kleidung war verbrannt, und er war über und über mit Ruß verschmiert.
Sie standen wie angenagelt, alle außer Petit Jean, der die Hand der Gestalt in seine beiden nahm.
– Komm, Papa, sagte er und führte Etienne zur Bank am Tisch.
Etienne zeigte hinaus.
– Das Pferd, flüsterte er, als er sich setzte. Das Pferd stand geduldig im Hof. Seine Hufe waren mit Tüchern umwickelt, um den Lärm zu dämpfen. Die Mähne und der Schwanz waren weg; ansonsten schien es unverletzt.
Als Etiennes Haar einige Monate später und viele Meilen weit weg nachwuchs, war es grau. Seine Augenbrauen und Wimpern wuchsen nie wieder nach.
Etienne und seine Mutter saßen benommen an Henri du Moulins Tisch, unfähig zu sprechen oder irgend etwas zu tun. Den ganzenTag über versuchten Isabelle und ihr Vater, mit ihnen zu
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