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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Frosch ins Feuer geworfen, und die Kinder hatten darumherum gestanden und ihm beim Sterben zugesehen.
    Der Mann tat etwas, was Isabelle von so einem Mann in so einer Situation nie erwartet hätte: Er lachte.
    – Du bist sehr mutig , ma pauvre , sagte er zu Marie, aber ein wenig verrückt. Ich hätte dich gerne als meine Tochter.
    Isabelle umklammerte Maries Hand, und der Mann lachte noch einmal.
    – Aber warum sollte ich ein Mädchen wollen? rief er. Wozu sind die schon gut?
    Er winkte den anderen und löschte die Fackel. Alle verschwanden im Wald.
    Sie warteten lange; keiner kam zurück. Schließlich schnalzte Etienne mit der Zunge, und das Pferd ging weiter, langsamer als zuvor.
    Am nächsten Morgen fand Isabelle in Maries Haar die erste rote Strähne. Isabelle riß sie aus und verbrannte sie.

4. Die Suche
    Ich rannte zum Büro zurück, eine Postkarte des Tournier-Gemäldes in der Hand. Rick saß auf einem hohen Hocker am Zeichenbrett; eine Halogenlampe ließ seine Backenknochen und den Bogen seines Unterkiefers scharf hervortreten. Obwohl er auf die Zeichnung vor sich starrte, waren seine Gedanken eindeutig woanders. Er saß oft stundenlang da und versuchte, sich das, was er gerade entworfen hatte, im Detail vor Augen zu führen: Wasseranschlüsse, Elektrizität, Abflußrohre, Fenster, Lüftung. Er stellte sich das Ganze vor und behielt es im Kopf, ging hindurch, saß darin, wohnte darin und durchkämmte es nach Fehlern.
    Ich sah ihm zu, stopfte dann die Postkarte in die Tasche und setzte mich hin, während meine Erregung langsam wich. Plötzlich wollte ich meine Entdeckung nicht mehr mit ihm teilen.
    Aber ich sollte es ihm erzählen, hielt ich mir selbst vor. Ich werde es ihm erzählen.
    Rick sah vom Zeichenbrett hoch und lächelte. »Hallo, du«, sagte er.
    »Selber hallo. Alles klar? Struktur tragfähig?«
    »Struktur soweit tragfähig. Und gute Neuigkeiten.« Er wedelte mit einem Fax. »Eine deutsche Firma möchte, daß ich ihnen in ein oder zwei Wochen ein Projekt vorstelle. Wenn es durchkommt, bekommen wir einen riesigen Auftrag. Dieses Büro wird jahrelang beschäftigt sein.«
    »Wirklich? Was für ein Genie du doch bist!« Ich lächelte und ließ ihn ein paar Minuten lang weiterschwärmen.
    »Hör zu, Rick«, begann ich, als er fertig war, »ich hab ineinem Museum in der Nähe etwas gefunden. Schau.« Ich zog die Karte heraus und gab sie ihm. Er hielt sie unter den Lichtstrahl.
    »Das ist das Blau, von dem du mir erzählt hast, stimmt’s?«
    »Ja.« Ich stand hinter ihm und schlang die Arme um seinen Hals. Er erstarrte für einen Moment; ich vergewisserte mich, daß keine Schuppenflechte seine Haut berührte.
    »Rate, von wem es ist.« Ich legte das Kinn auf seine Schulter.
    Er wollte die Karte umdrehen, aber ich hielt ihn zurück. »Rate.«
    Rick kicherte. »Komm schon, Schatz, du weißt ganz genau, daß ich keinen blassen Schimmer von Malerei habe.« Er sah es sich genauer an. »Einer von den italienischen Renaissance-Malern, schätze ich mal.«
    »Nö. Er ist Franzose.«
    »Ach, dann eben einer von deinen Vorfahren.«
    »Rick!« Ich boxte seinen Arm. »Du hast es gelesen!«
    »Nein, hab ich nicht! Ich hab nur einen Witz gemacht.« Er drehte die Karte um. »Das ist wirklich einer von deinen Verwandten?«
    »Ja. Irgendwie bin ich mir sicher.«
    »Das ist ja phantastisch!«
    »Nicht?« Ich grinste ihn triumphierend an. Rick legte seinen Arm um meine Taille und küßte mich, während er hinter mich griff, um mein Kleid aufzumachen. Er hatte es schon bis zu meiner Taille heruntergeschoben, als ich merkte, daß er es ernst meinte. »Warte«, japste ich. »Laß uns warten, bis wir nach Hause kommen!«
    Er lachte und nahm einen Hefter vom Tisch. »Wie, du magst meinen Hefter nicht? Und meinen Super-Strahler?« Er drehte die Lampe, so daß das Licht von der Decke zurückprallte. »Mein Stimmungsleuchten macht dich nicht an?«
    Ich küßte ihn und zog den Reißverschluß wieder zu. »Das ist es nicht. Ich denke nur, wir sollten – vielleicht ist das nicht der richtige Augenblick, darüber zu sprechen, aber ich denke, ichbin mir nicht mehr so sicher mit dem Baby. Vielleicht sollten wir doch noch ein bißchen länger warten, bevor wir es versuchen.«
    Er sah überrascht aus. »Aber wir haben eine Entscheidung getroffen.« Rick wich ungern von einmal getroffenen Entscheidungen ab.
    »Ja, aber es ist traumatischer, als ich dachte.«
    »Traumatisch?«
    »Na, vielleicht ist das ein zu starkes Wort.« Halt, halt,

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